Was veranlasst einen Menschen meines Alters zu so einer Idee? Eine Transatlantikkreuzfahrt. 11 Tage auf einem Schiff, Start Miami, Ziel Barcelona. Dazwischen? Nichts als Wasser, Wasser und nochmal Wasser!

Die Vorzeichen dabei könnten selbst für einen schiffsverliebten Menschen wie mich kaum ungünstiger stehen. Los geht es an einem Freitag den 13., die ganze Reise findet exakt 100 Jahre nach dem wenig rühmlichen, dafür um so berühmteren Ende der ersten Atlantiküberquerung der RMS Titanic statt und gereist wird auch noch in einer Einzelkabine innen. Daheim stieß mein Vorschlag nämlich auf wenig Gegenliebe. „Nee Du. Da kannste mal schön alleine fahren. Ich bin doch nicht verrückt.“ Ich schon! Verrückt nach Meer, verrückt nach Schiffen.

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Die Norwegian Epic, hier in Punta Delgada, Azoren

Überhaupt hat noch keine meiner Reisen in meinem Umfeld so viele mitleidige und verstörte Blicke ausgelöst wie diese. Selbst unter gestandenen Kreuzfahrern war nur ein „Wie langweilig! Warum machst’n sowas?“ zu hören. Sollten sie etwa Recht haben?

Das Schiff selbst, die Norwegian Epic, kenne ich bereits von einer Überführungsfahrt 2010, kurz vor ihrer Taufe und Jungfernfahrt. Letztere führte sie übrigens von Southampton nach New York. Mit deutlich mehr Erfolg als obiges Beispiel anno 1912.

Aber genug von den historischen Verknüpfungen. Schließlich sind 100 Jahre vergangen und nach dem Unglück der Costa Concordia – übrigens auch ein Freitag der 13. – sollte die gesamte Branche eigentlich genug gelernt haben.

Das Anreisepaket, welches Norwegian für mich zusammengestellt hat führt über Düsseldorf nach Miami. Nach einer Übernachtung im Flughafenhotel, einem durchaus empfehlenswerten Sofitel, geht es mit dem Shuttle zum Port of Miami. Dort liegen die Celebrity Equinox, die Carnival Valor und die Carnival Liberty. Am Ende des Kais wartet die Norwegian Epic. Auf mich.

Erinnerungen an das komplett misslungene Boarding in Rotterdam 2010 werden wach. Mehr als zwei Stunden mussten die Passagiere seinerzeit warten um an Bord gehen zu dürfen. Aber nicht umsonst ist Miami DER Kreuzfahrthafen. Mit absoluter Perfektion und kürzesten Wartezeiten sind Security Check und Einschiffung erledigt und ich an Bord.

Was nun folgt muss erfahrenen Lesern nicht groß erklärt werden. Der obligatorische allererste Burger. Auf besonderen Wunsch medium-rare, überbacken mit zwei Scheiben Käse, das Bun kurz im Pizzaofen getoastet, et voilà. Der beste Burger der vergangenen zwei Jahre. Hier ist er, respektive ist er dann auch direkt schon wieder Geschichte. Gleich noch einen? Behave! Du bist schließlich 11 Tage hier und du hast die XL Shirts daheim gelassen!

Besser ein kurzer Rundgang über die Aussendecks. Viele Dinge, die es seinerzeit bis zur Jungfernfahrt nicht rechtzeitig geschafft hatten, sind mittlerweile fertig, andere Dinge sind nach nicht einmal zwei Jahren Betrieb dafür auch schon um so fertiger. Hier fordern Salzwasser und Karibiksonne ihren Tribut und hier erkennt man, dass man solche Kreuzfahrtschiffe wohl besser in Papenburg bauen lassen sollte. Die Jungs von Meyer scheinen es jedenfalls bei der Auswahl ihrer Zulieferer besser drauf zu haben als ihre französischen Mitbewerber.

Eine Durchsage informiert über die Freigabe der Kabinen. Also nichts wie los. Leichter gesagt als getan. Denn selbst für erfahrene Kreuzfahrer ist das Wirrwarr der Gänge auf der Epic sehr gewöhnungsbedürftig. Zu dem Bereich der Studios, einer neu geschaffenen Kabinenkategorie, führt eine unscheinbare Tür. Dahinter verbirgt sich ein langer schmaler Gang in coolem Neonlicht.

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Kabinengang im Studio-Bereich

Was genau sind nun diese Studios? Ein klassisches Kreuzfahrtschiff besteht aus Außen- und Innenkabinen, zur Rechten wie zur Linken von in der Regel zwei Gängen, einer auf der Back- und einer auf der Steuerbordseite. Nun sind Kreuzfahrtschiffe in den letzten Jahren nicht nur länger und höher geworden sondern physikalisch bedingt auch immer breiter. Bei der Epic sprechen wir beispielsweise über 40 Meter. Wie füllt man diesen Raum? Mit zusätzlichen Kabinen. Und so sind die Studios Innenkabinen, die noch einmal innen zwischen den eigentlichen Innenkabinen liegen.

Was macht man mit so vielen einigermaßen unbeliebten Innenkabinen? Hier hat sich Norwegian ein zugegeben recht geniales Konzept ausgedacht. Diese Studios sind für Alleinreisende konzipiert. Da kein Einzelkabinenzuschlag anfällt, sind sie entsprechend attraktiv bepreist. Eine eigene Studio Lounge, zu der nur Gäste der Studios Zugang haben lädt zum Verweilen ein, sodass allein reisende Gäste schnell miteinander in Kontakt kommen. Der ganze Bereich ist extrem modern und stylish designed, die Kabinen sind klein aber extrem gemütlich und man stellt schnell fest – mehr braucht man eigentlich gar nicht. Sogar ein Fenster ist vorhanden, wenn auch nur zum Gang.

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Einzelkabine „Studio“

Eine halbe Stunde vor Abfahrt ist die Seenotrettungsübung angesetzt. Im Falle von Norwegian ist dieses Timing keine Neuerung, auch schon vor dem Costa Concordia Unglück wurde bereits vor dem ersten Ablegen für den Ernstfall geübt. An der Übung selbst hat sich allerdings ebensowenig verändert. Treffen am Sammelpunkt, welcher auf der eigenen Bordkarte aufgedruckt ist, kurze Unterweisung in die korrekte Handhabung der Rettungswesten (diese darf man nicht mitbringen), den Rest möge man sich bitte im TV anschauen. Sieht man, wie lange es dauert, bis die Menschen alleine aus den öffentlichen Räumen wieder hinaus befördert sind, bedenkt man dabei, dass das Schiff nicht einmal zu 40% gefüllt ist, so beschleicht einen schnell das Gefühl, den Ernstfall hier nicht erleben zu wollen. Ich treffe viele Passagiere, die nicht einmal ihren Sammelpunkt finden. Zu verbaut, zu verwirrend ist der Grundriss dieses Schiffes.

Aber ok. Gehen wir nicht vom Schlimmsten aus. Die Epic verfügt über 12 Rettungsbote für jeweils 293 Passagiere, sowie 8 Tenderboote für jeweils 267 Passagiere. Zusammen mit 19 Rettungsinseln für die Crew macht das 8.654 Plätze. Bei ca. 1700 Besatzungsmitgliedern und etwa 2100 Passagieren auf dieser Reise mehr als genug.

Transatlantikreisen sind für Schiffe wie die Epic ein notwendiges Übel. Die Wintersaison wird von Miami aus bestritten. Im 7-Tages Rhythmus geht es von dort aus nach St. Thomas, St. Maarten und auf die Bahamas. Im Sommer geht die Epic von Barcelona aus ebenfalls auf 7-Tages Reisen ins westliche Mittelmeer. Zwischen den beiden Saisons liegen die Überführungsfahrten, die Atlantiküberquerungen. Für ein Schiff, welches 48 Wochen im Jahr den gleichen Turnus hat, eine willkommene Abwechslung. Zeit für Reparaturen, das Einstudieren neuer Shows, Vorbereiten des Personalwechsels etc. Die Touren haben wenig mit den restlichen Kreuzfahrten zu tun. Weniger Party, mehr Ruhe, nahezu ausschließlich Seetage, unsicheres Wetter.

Aus diesem Grund sind die Transatlantikreisen auch extrem günstig. 11 Tage Vollpension ab 479 Euro p.P., teilweise sogar noch inklusive Bordguthaben, das ist schon verlockend.

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Auf dieser Reise haben die meisten Tage nur 23 Stunden

Und doch, die Epic hat bei Doppelbelegung der Kabinen theoretisch ein Fassungsvermögen von 4.200 Passagieren. Sind die Zusatzbetten in den Kabinen voll belegt, wie bei der vorausgegangenen letzten Karibiktour zu Ostern (1.500 Kinder an Bord), steigt die Zahl gar auf ca. 5.000 an. Da lassen die 2.100 Passagiere auf dieser Tour das Schiff nicht einmal ansatzweise irgendwo voll erscheinen. Im Gegenteil. Man glaubt noch nicht einmal an diese Zahl. Denn das Schiff ist einfach nur leer. Überall freie Liegen, keine Reservierungen in den Spezialitätenrestaurants vonnöten, zu jeder Zeit ein freier Tisch in den Hauptrestaurants, das sind wahrlich ungewohnte Zustände.

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Viel Platz an Deck selbst bei traumhaftem Wetter

So ist auch bei der Ausfahrt aus Miami genügend Platz an Deck um das Spektakel zu genießen. Obwohl wir an erster Stelle am Kreuzfahrtterminal im Port of Miami liegen, lassen wir der Carnival Liberty, der Celebrity Equinox und auch der Carnival Valor den Vortritt. Ausgelassene Stimmung herrscht an Bord aller Schiffe, wild wird hin und her gewunken. It’s Party time. Vorbei geht es am Containerhafen, Fisher Island zur Rechten und den aus Miami Vice bekannten Hochhäusern zur Linken. In der Ferne sind die Schiffe zu erkennen, die gleichzeitig aus Port Everglades und Co. aufbrechen. Ein Schiff der Holland America Linie welches, seinerseits ebenfalls auf Transatlantikkurs Richtung Madeira, uns noch die ganze Nacht und den nächsten Morgen hindurch begleiten wird, sowie ein Princess Schiff und die selbst aus weiter Ferne einfach nur riesig wirkende Allure of the Seas auf Kurs Karibik.

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Abschied von Miami

Vor uns liegen etwas über 2.800 Seemeilen Wasser bis zu unserem ersten und einzigen Zwischenstopp auf dem Weg nach Barcelona, Punta Delgada auf den Azoren. Die Reise beginnt stürmisch mit entsprechendem Seegang. Das kann ja noch heiter werden.

Auf Grund technischer Probleme mit meiner Kabine muss ich noch am selben Abend umziehen. Als Ersatz erhalte ich eine Balkonkabine auf Deck 14. So schön die Studios auch sind, bei dem Angebot lässt sich nur schwer Nein sagen und so erlebe ich den ersten Sonnenuntergang dieser Reise mit einem Glas „Champagne“, wie hier sämtlicher Schaumwein genannt wird, auf meinem eigenen Balkon. Epilicious!

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Balkonkabine im „New Wave“ Design

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Der erste Sonnenuntergang auf dem eigenen Balkon

Nicht für jeden beginnt die Reise derart erfreulich. Einer der Gäste erleidet einen Herzinfarkt. Der Kapitän entschließt sich, den Kurs zu ändern und die Bermudas anzusteuern. Mit erheblich gesteigerter Geschwindigkeit (und zusätzlichen Treibstoffkosten im vierstelligen Bereich – pro Stunde!) erreichen wir Montag Abend Saint Georges auf den Bermudas, wo ein Lotsenboot den inzwischen weitgehend stabilisierten Patienten übernimmt.

Durch diesen Zwischenfall wird einem klar, dass man, trotz aller technischer Errungenschaften, die kommenden Tage wirklich komplett alleine sein wird, fernab jeder Zivilisation, mitten auf dem Meer. Sollte jetzt etwas passieren, Hilfe gibt es erst wieder auf den Azoren welche trotz des leichten Umweges planmäßig Samstag früh erreicht werden sollen.

Der Atlantik meint es auf dem Weg dorthin verhältnismäßig gut mit uns. Ein Tag mit Seegang 7 lässt das Schiff einigermaßen schwanken, speziell die vorderen Bereiche erinnern ein wenig an eine Achterbahn, die restliche Zeit ist das Meer äußerst ruhig. Es weht ein ordentlicher Wind, sodass man die meiste Zeit nur das relativ windgeschützte Erwachsenen-Sonnendeck am Heck nutzen kann. Auf Grund der Wolken machen davon aber nur wenige Gebrauch. Am Nachmittag ist die Chance auf ein Sonnenbad am größten und wird so auch ausgiebig genutzt.

Dem überwiegend amerikanischen Publikum an Bord wird einiges geboten. Mit der Epic will man einen Hauch Las Vegas auf ein Schiff bringen. Und so gastieren an Bord erfolgreiche US Acts wie die Blue Men Group, Legends at Concert, The Second City, Cirque Dreams, die Figuren von Nickelodeon für die Kids und viele mehr.

Das Konzept ist durchaus gelungen. Die Shows sind gut besucht, Tickets bucht man über den Fernseher, per Telefon, iPad App oder am Box Office. Der Eintritt zu den meisten Shows ist gratis, lediglich zu Cirque Dreams wird eine Cover Charge fällig, da hier ein besonderes Menü inkludiert ist.

Nachmittags locken beliebte Freizeitvergnügen wie das klassische Bingo, abends herrscht in den Bars und Clubs ausgelassene Stimmung zu diverser Live Musik. Besonders hervorzuheben ist hier das Fat Cats, ein Jazz- und Bluesclub der aufgrund der Sessions der Slam Allen Blues Band jeden Abend bis zum bersten gefüllt ist.

Natürlich fehlt auch Karaoke nicht, genauso wie die an-Bord-Versionen beliebter TV Shows wie Epic’s got Talent, Deal or no Deal und einiger Pärchen- und Kuppelshows und ja, natürlich gibt es auch Bingo!

Das alles ist Norwegian-typisch freestyle. Sprich jeder geht dahin, wo er will, gedrängt wird keiner, dahingehende Animation gibt es nicht und wer einfach nur seine Ruhe haben will, der findet auch hier genügend Plätze.

Ähnlich sieht es beim Essen aus. Es gibt zwei Hauptrestaurants, den klassisch-eleganten Manhattan Room und das modern gestaltete Taste. Beide greifen auf die selbe Küche zu, man erhält also die identische Karte. Freunde der Selbstbedienung werden im Garden Café fündig, wo eine riesige Auswahl an frischen Speisen, darunter auch der legendäre Burger auf die hungrigen Gäste wartet. Der O’Sheehan’s Irish Pub versorgt 24 Stunden täglich all diejenigen, denen die Öffnungszeiten der regulären Restaurants nicht ausreichen mit Burgern, Sandwiches etc. Ebenfalls gibt es Snacks im Atrium Das Great Outdoor am Pool und das Spice H2O am hinteren Sonnendeck laden vor und nach den Hauptessenszeiten Hungrige zum Verweilen ein und für 5 USD kann man darüber hinaus auch noch den 24/7 Pizzalieferdienst bemühen.

Womit wir bei den Bezahlrestaurants wären. Um sie zu nutzen, wird die zuvor bereits erwähnte Cover Charge fällig. Je nach Restaurant beträgt diese zwischen 10 und 35 USD pro Person. In den meisten Fällen sind die Restaurants ihre Zuzahlung absolut wert. Die Anzahl dieser Spezialitätenrestaurants wurde im Vergleich zu den Vorgängerschiffen noch einmal gesteigert. Klassiker ist Cagney’s Steakhouse mit vorzüglichen Steaks, die Churrascaria Moderno widmet sich ebenfalls vornehmlich der Fleischeslust. Französische Küche bietet das Le Bistro, das La Cucina ist ein uriges italienisches Restaurant, im Spiegel Zelt finden die Darbietungen von Cirque Dreams statt.

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Nachtisch in Cagney’s Steakhouse

Wer asiatische Küche bevorzugt hat die Wahl zwischen dem klassischen Shanghai Restaurant, einer Noodle Bar, Yakitori & Sushi, dem Wasabi und dem Teppanyaki, bei welchem die Showköche die Speisen direkt am Tisch zubereiten. Absolut empfehlenswert.

Auf die insgesamt 15 Bars an Bord möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr näher eingehen. Jede für sich hat etwas einzigartiges, ihren ganz eigenen Flair.

Vergeblich allerdings sucht man einen Platz, an dem man gemütlich sitzen und einfach nur auf das Meer blicken kann, sollte das Wetter einmal zu schlecht für eines der Sonnendecks sein. In den Räumen, in denen man gemütlich sitzen kann, sieht man wenn überhaupt nur auf die Rettungsboote und dort wo man Ausblick hat, fehlt es an bequemen Sitzmöglichkeiten.

Auf Grund der vielen kleineren Veranstaltungsorte wurde auf eine große zentrale Lounge verzichtet. Das ist schade, denn so jagt man laufend von einer Location zur nächsten und ist ohne sein Tagesprogramm komplett aufgeschmissen, wohin es denn nun gehen soll.

Noch dazu sind die meisten Orte zu klein um selbst bei halb gefülltem Schiff genügend Plätze zu bieten. Ein erheblicher Teil der Partys sind auf dem Pooldeck und im H2O Spice angesetzt. Beide Locations liegen unter freiem Himmel. Das Konzept mag in der Karibik aufgehen und dafür ist das Schiff ja auch hauptsächlich gebaut. Auf einer Transatlantikreise allerdings findet das Gros dieser Veranstaltungen dann einfach nicht statt oder wird in andere Räumlichkeiten verlegt. Ob und wenn ja wohin, darüber wird man jedoch meist im Dunkeln gelassen.

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Keine Parties auf dem Pooldeck

Aber selbst wenn die Events im am Heck gelegenen Spice H2O nicht stattfinden, so lohnt ein Besuch dort auch am Abend, genauer gesagt zum Sonnenuntergang allemal.

Auf Grund der Fahrtroute geht die Sonne bis zur Einfahrt ins Mittelmeer immer hinter dem Schiff unter. Mit ein wenig Glück und davon hatten wir auf dieser Reise eine Menge, ergeben sich jeden Abend wirklich traumhaft schöne Anblicke.

Begleitet werden die Sonnenuntergänge von allabendlich wechselnder klassischer Musik. Die Sonne, der Blick aufs Meer, dazu ein, zwei Rebellious Fish, mein Lieblingscocktail an Bord, etwas Fingerfood von der Bar – die Sundowner gehören definitiv zu den schönsten Momenten dieser Reise.

Für mich bietet diese Tour aber noch einige weitere einmalige Momente. Eine Atlantiküberquerung, das merke ich schnell, ist nicht vergleichbar mit irgend einer anderen Kreuzfahrt. Das Gefühl, von den Bermudas auszulaufen und zu wissen, dass da jetzt nur noch Wasser vor einem liegt, das hat selbst auf einem hochtechnisierten Vergnügungsdampfer noch etwas uriges, etwas abenteuerliches. Die Ankunft auf den Azoren dann, das erste Mal Land in Sicht, so ähnlich muss sich auch Christoph Columbus gefühlt haben.

Gut, er fuhr in entgegengesetzter Richtung und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dabei nicht gerade seine vierte Cinnamon Roll zu Röstitalern und Ham & Eggs verspeiste. Andererseits – wer weiß das schon.

Ponta Delgada, die Hauptstadt der Azoren selbst fasziniert durch wunderschöne alte portugiesische Architektur, gepaart mit extrem hässlichen Bettenburgen und einem sehr schön gestalteten neuen Hafengelände. Die Hauptattraktion für die meisten Passagiere aber ist wohl die Tatsache, endlich wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu haben.

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Punta Delgada

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Kapitän Sverre Sovdsnes beim whale watching

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Sonnenuntergang über den Azoren

Nachmittags ist dann auch schon wieder Schluss mit dem festen Boden, drei weitere Seetage warten bis zum Ende der Reise in Barcelona.

Ein unglaublich überwältigendes Erlebnis ist zwei Tage später die Passage der Straße von Gibraltar. Zwei Kontinente – zum greifen nah. Das ganze dank der hervorragenden Routenplanung von Kapitän Sverre Sovdsnes und seiner Crew auch noch kurz vor Sonnenuntergang, besser geht es wohl kaum.

Für dieses Ereignis öffnet die Brückenmannschaft auch die sonst unzugänglichen vorderen Außenbereiche des Schiffs. Passagiere und Besatzung machen von diesem Angebot gleichermaßen regen Gebrauch.

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Gibraltar

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Denn auch für die Crew sind die Transatlantikreisen etwas besonderes. Bei Norwegian Schiffen ist es generell üblich, dass die Offiziere überall auf dem Schiff präsent sind. Sie essen, so sie möchten, mit den Passagieren zusammen und  sind auch sonst überall für Fragen ansprechbar. Es vergeht kein Tag, in dem man dem Kapitän, dem Hoteldirektor Kay Turunen oder seinen Assistentinnen nicht über den Weg läuft. Dieser Umstand erzeugt eine sehr angenehme, Atmosphäre zwischen Offizieren und Passagieren.

Auf der Transatlantik Route dürfen aber auch die Crewmitglieder in ihrer Freizeit die Passagierbereiche betreten, die sonst in ihren eigenen Bereichen verweilen müssen. Sozusagen als Dank für ihre Arbeit über den Rest der Saison werden die strengen Regeln gelockert. Und so füllt sich spät abends nach Dienstschluss die Disco mit Passagieren und Crew. Die Stimmung ist ausgelassen und herzlich. Am nächsten Tag trifft man sich dann in der üblichen Rollenverteilung in den Restaurants oder den Kabinengängen wieder, allerdings nicht ohne das eine oder andere Augenzwinkern.

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Immer ein Lächeln auf den Lippen

Das alles erscheint zunächst ungewohnt, ist aber mit einer der Gründe, die den Reiz dieser Reise ausmachen. Das Verhältnis zwischen Besatzung und Passagieren ist fast schon familiär, so als würde man abends in der Bar eines guten Freundes sitzen.

Was für die Crew gilt, gilt in gleichem Maße auch für die Künstler an Bord. Für viele von ihnen ist es die letzte Reise nach einer anstrengenden Karibiksaison, für andere die erste Reise vor der Mittelmeersaison. Hier und dort wird geübt und als Passagier darf man der ein oder anderen Probe beiwohnen. Auf einer normalen Kreuzfahrt, gerade auf US Schiffen, wohl eher undenkbar.

Es fehlt das Gefühl einer von Anfang bis Ende bis zur absoluten Perfektion durchgeplanten Reise. Zugegeben, das muss man mögen, ich finde es jedenfalls äußerst sympathisch.

Auch sonst geht übrigens nicht immer alles nach Plan auf dieser Reise. Eine berstende Wasserleitung (oder war es etwa doch die Sprinkleranlage?) setzt den Manhattan Room, das große Hauptrestaurant, sowie weite Teile des Epic Casinos auf Deck 6 unter Wasser. Bei halber Auslastung des Schiffes sind die Konsequenzen eines komplett unbenutzbaren Hauptrestaurants noch zu verschmerzen. Eilig werden andere (Bezahl-) Restaurants zweckentfremdet, Tag und Nacht wird gearbeitet. Bis Barcelona sind es schließlich nur noch zwei Tage und die dort startende erste Mittelmeertour ist voll ausgebucht.

Dutzende Trockengeräte versuchen, den hochflorigen Teppichboden zu retten. Gegen den leicht muffigen Geruch überall können sie allerdings kaum ankämpfen. Was letztlich in der Nacht von Tag 9 auf Tag 10 wirklich passiert ist, das erfährt man nicht und so brodelt die Gerüchteküche unter den Passagieren, ob man nicht doch nur knapp an einem größeren Unglück vorbeigeschrammt sei.

Wie auch immer, elf Tage nach meinem ersten Burger an Bord trifft die Norwegian Epic planmäßig und wohlbehalten in Barcelona ein. In den viel zu schnell vergangenen Tagen habe ich viele Menschen an Bord getroffen, die jede Transatlantiktour mitmachen, weil sie den besonderen Flair an Bord, die Ruhe, die Entspannung so vieler Seetage lieben. Nach dieser Reise kann ich sie verstehen. Selten habe ich eine Schiffsreise so intensiv erlebt, noch nie ging ich so erholt von Bord.

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Ankunft in Barcelona

Die Daheimgebliebenen, sie tun mir leid. Schade dass sie das nicht miterleben konnten – oder wollten. Ob sie meine Erzählungen überzeugen bleibt fraglich. Auf mitleidige Blicke kann ich beim nächsten Mal jedenfalls besten Gewissens mit einem Lächeln und jeder Menge Vorfreude antworten.

Derzeit kreuzt die Norwegian Epic wieder in der Karibik. Transatlantik geht es erneut in 11 Nächten von Miami nach Barcelona ab 20. April. Zu Preisen ab 479,- Euro p.P. Statt den Azoren wird dieses Mal allerdings Funchal, Madeira angelaufen.

Von Barcelona retour nach Miami startet die Epic am 20. Oktober. Die Rückroute dauert zwei Tage länger. Neben Funchal, Madeira wird hier auch noch St. Thomas auf den amerikanischen Jungferninseln angelaufen.

Für alle Freunde klassischer Kreuzfahrtrouten ist die Epic zwischen Mai und Oktober auf einwöchigen Mittelmeertouren, wahlweise ab Barcelona, Marseille oder Rom (Civitavecchia) unterwegs.

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Auf Wiedersehen, Norwegian Epic

Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler

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