Zweimal saß ich in meinem bisherigen Leben in einem Quattroporte. Das Erste Mal ist knapp 6 Jahre her. Maserati Driving Camp nannte sich die Veranstaltung und es war an mir, einen Quattroporte um den Ostkurs des Hockenheimrings zu jagen.

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Es war meine erste Fahrt auf einer Rennstrecke und ja, irgendwie bleibt einem sowas halt schon im Gedächtnis. Ein bisschen Bammel hatte ich, das weiß ich noch. Aber geil war’s. Und wie!

Lange ist’s her. Mittlerweile gibt es einen ganz neuen Quattroporte und Maserati ist, Dank neuer Motoren und vor allem Modelle, auf dem Weg vom reinen Nischenprodukt zum ernstzunehmenden Mitbewerber der Luxusklasse sowie der oberen Mittelklasse. Hier sei vor allem der neue Ghibli erwähnt, von welchem an jenem nasskalten Augustmorgen gleich einige vor der Deutschlandzentrale von Maserati parken.

Hier treffe ich Oscar. Er ist der Werkstattleiter und er zeigt mir meinen Testwagen, eben den Maserati Quattroporte. Oscar kommt aus Italien und schnell merkt man die Leidenschaft, die ihn mit „seinen“ Autos verbindet. Mein Quattroporte ist ein S Q4 in Nero. Nero Ribelle.

S Q4? Das klingt irgendwie nach einem Produkt eines ganz anderen Herstellers. Scheint Maserati aber nicht zu kümmern. Mehr noch: Q4, das bedeutet Quattro – also nein – Allradantrieb. Da muss ich stutzen. In einem Maserati? Gut, dass es den Ghibli damit gibt, das wusste ich. Aber auch den Quattroporte? Doch der vermeintliche Frevel wird noch größer. Denn wie mir Oscar weiter erklärt, gibt es den Allradantrieb nur mit dem 6-Zylinder Motor.

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Moment! Langsam! So hatten wir nicht gewettet. 6 Zylinder? Das mag ja für den Ghibli ganz ok sein. Aber das hier ist der Quattroporte. Die große Limousine. Bella Macchina und so. Die MUSS 8 Zylinder haben. Und nicht 6. Ich muss sagen, ja, ich bin enttäuscht. Aber was willste machen? Als Fan von vielen Zylindern und großem Hubraum fühle ich mich inzwischen ja eh mehr und mehr wie ein Dinosaurier.

Wir steigen ein und ich bin spontan wieder besänftigt. Leder, wohin das Auge schaut, ein großer Touchscreen, Carbon Zierteile und ein elegantes, zeitloses Design. Das schaut ziemlich perfekt aus und auch die Verarbeitung kann sich sehen lassen. Allein der ein oder andere Knopf bzw. Schalter – etwa der für das Licht – will nicht so recht zum schönen Rest passen.

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Oscar startet den Motor. Huch. Das sollen 6 Zylinder sein? Klingen irgendwie wie 8. Ich bekomme die wichtigsten Funktionen erklärt, dann drückt er die Sporttaste und es wird spontan laut. Wir fahren los, die Werkstatthalle dröhnt und jetzt muss ich Oscar doch nochmal fragen, ob er sicher ist, dass das die Version mit 6 Zylindern ist. Ja. Wirklich? Ja. Ok. Krass.

Draußen dann Schlüsselübergabe. Als Uhren-Fan und Rolex-Stahlmodell-Träger vergisst man nie das Gefühl, wenn man zum ersten Mal ein Platin Modell in Händen hält. Diese unglaubliche, fast schon aberwitzige Schwere.

Das gleiche Gefühl hat man bei der Schlüsselübergabe des Quattroporte. Das Ding ist nicht nur riesig, es ist unheimlich schwer und sieht sehr hochwertig aus. Groß und schwer, eigentlich ist das auch ziemlich unpraktisch. Und unnötig ist es allemal. Zumal dieses Fahrzeug ja sowieso das optionale Keyless Entry hat. Dennoch: genial. (Leider fasziniert mich dieser Schlüssel aber auch so sehr, dass ich schlichtweg vergesse, ihn auf einem Foto festzuhalten.)

Auf geht’s. Erste Amtshandlung: Den Sport-Knopf drücken. Einfach, weil’s so schön klingt. Hierbei werden die Auspuffklappen geöffnet und der Sound ist entsprechend kernig. Wie gesagt, ohne direkten Vergleich könnte man den V6 Twin-Turbo auch für einen V8 halten. Warum das so ist, darüber gibt die Pressemappe Auskunft. Der 3,0 Liter V6 Direkteinspritzer basiert streng genommen auf dem 3,8 Liter V8 des „großen“ Quattroporte und wird bei Ferrari in Maranello gebaut. Der Rest ist Sounddesign, heutzutage allgegenwärtig und ja in sofern auch keine Schande. So klingt der S Q4 wunderbar satt, dabei aber auch nicht so laut, dass sich Passanten genervt danach umdrehen müssten.

Tun sie aber trotzdem, allerdings nicht genervt sondern erfreut, was neben dem Klang auch der Optik geschuldet sein dürfte.

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Neben Sport- und Normalprogramm sei der Vollständigkeit halber auch noch das I.C.E. Programm erwähnt. Das steht für Increased Control and Efficiency. Klingt jetzt nicht unbedingt so nach Spaß und deswegen lassen wir das auch mal aus.

Ebenfalls aus bleibt die Leuchte der Taste für ESP & Co. Leuchte aus, das heißt Assistenz-Systeme an und bei den nassen Straßen heute ist das denke ich eine ganz gute Wahl. Wobei, letztlich hat der Quattroporte ja wie erwähnt auch Allradantrieb. Keinen permanenten übrigens, im Normalfall ist auch der S Q4 ein 100%iger Hecktriebler, aber wenn es drauf ankommt, werden in 150 Millisekunden bis zu 50% der Kraft an die Vorderräder geleitet.

Über den Bordcomputer kann man sich die momentane Antriebsverteilung auch auf dem Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser anschauen.

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Mein erster Weg führt mich zunächst einmal ins Büro. Da es schon wieder zu regnen droht stelle ich den Maserati in der Garage unter. Das ist schwieriger als gedacht. Mit 5,26 Metern ist der Aktuelle nämlich länger als Mercerdes S-Klasse oder 7er BMW – in ihren jeweiligen Langversionen! Zum Glück hat auch der Quattroporte Abstandswarner vorne wie hinten und eine Rückfahrkamera.

Problem dabei, die Abstandswarner scheinen mir – subjektiv – erst sehr spät anzusprechen, fast schon zu spät und die eingeblendeten Linien der Rückfahrkamera nehmen keinen Bezug zum aktuellen Lenkeinschlag sondern bleiben immer gerade. Trotzdem gelingt das Einparken schon beim ersten Versuch. Hinten eine Hand breit Platz, vorne eine halbe. Passt. Gerade so.

Erstaunlich, denn rein optisch sieht der Quattroporte gar nicht so groß aus. Die Formensprache kaschiert die Größe recht gekonnt. Sie nimmt Bezug auf den von Pininfarina gestalteten und von 2003 bis 2012 gebauten Vorgänger, lässt das Fahrzeug mit der am GranTurismo angelehnten Front aber wesentlich sportlicher wirken.

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Die Heckleuchten sind filigraner und dadurch gefälliger geworden, im Vergleich zum restlichen Design dann vielleicht aber auch schon fast eine Spur zu austauschbar? Alles in allem ist der neue Quattroporte aber ein verdammt schönes, ein verdammt attraktives Auto, dem man die enorme Größe wie gesagt wirklich nicht ansieht.

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Die merkt man aber, wenn man einsteigt. Hinten. Dort bietet er extrem viel Platz, selbst bei weit zurückgefahrenem Fahrersitz. Um elf Zentimeter wuchs der Radstand im Vergleich zum Vorgänger und der Großteil kommt den Passagieren im Fond zugute. Damit es beim Gepäck ebenfalls keine Probleme gibt, wuchs auch der Kofferraum um 80 Liter.

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Wie er so da steht, der große Maserati, da in meiner kleinen Garage – lange werde ich das heute am Schreibtisch nicht aushalten und so geht es, bei etwas annehmbareren Wetter, hinaus Richtung Taunus. Etwas Autobahn, kurvige Landstraßen, Stadtverkehr. Quasi die luxify Teststrecke.

Wie stark ist er denn nun, der schwache (?) Quattroporte? Auf dem Papier trennen den V6 vom V8 immerhin 120 PS (410 vs. 530), 100 Nm (550 vs. 650) und fast schon gigantische 22 km/h im Topspeed (285 vs. 307 – allemal genug für die bei 250 abgeregelten Mitbewerber). In der Beschleunigung allerdings, genehmigt sich der S Q4 nur marginale 0,2 Sekunden mehr, als der starke V8 (4,7 vs. 4,9).

Die Zahl will ich bei der Auffahrt auf die Autobahn zunächst gar nicht glauben, denn beim beherzten Tritt aufs Gaspedal scheinen sich die knapp 2 Tonnen des S Q4 nur recht gemächlich voranzubewegen. Eine optische, oder eher akustische Täuschung, wie ich zunächst beim Blick auf die immer kleiner werdenden Autos im Rückspiegel und dann bei einem weiteren Blick auf den Tacho feststelle. In Wirklichkeit beschleunigt das Ding brutal! Hoppla! 200 km/h? Fühlt sich an wie 120.

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Man spürt es nicht, man hört es nicht. Das liegt mit am verwendeten Akustik-Glas. Dieses ist einfach, bzw. zweifach spezialbeschichtet und lässt auf diese Art einen Großteil der störenden Geräusche draußen. Nicht nur die, auch Sonneneinstrahlung und diesbezügliche Wärme werden absorbiert. Würde ich jetzt unheimlich gerne ausprobieren aber wir haben August und da hat’s hier ja nur gefühlte 10 Grad.

So gleitet der Quattroporte also ruhig – und schnell – durch die wolkenbedeckte Landschaft. Ganz so ruhig geht es am Steuer dann aber doch nicht zu. Denn die optionalen 21 Zoll Felgen, sehr schön im Titano Design, geben einiges an Straßenunebenheiten direkt ans Lenkrad weiter. So wirkt der Wagen manchmal doch ein wenig nervöser als nötig.

Die Lenkung selbst ist in schnellen Kurven sehr schön direkt, verhält sich bei langsamer Fahrt und im Stadtverkehr allerdings etwas zu indirekt. Das in Verbindung mit den stattlichen Abmessungen und der nicht gerade panoramamäßigen Rundumsicht lässt etwa enge Kreisverkehre schnell zu kleineren Herausforderungen werden.

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In seinem Element ist der Quattroporte auf kurvigen Landstraßen. Speziell mit aktivierter sportlicher Dämpfereinstellung wird der Luxusliner zum fast schon handlichen Sportwagen. Einzig rüstige Rentner in ihren silbernen Kleinfahrzeugen können da den Spaß bremsen. Aber nur kurzzeitig. Beeindruckend, wie souverän und linientreu sich der S Q4 bei Überholmanövern, selbst auf noch nicht ganz trockener Straße gibt.

Die 8-Gang Automatik von ZF leistet dabei gute Arbeit, wer will, der kann auch manuell schalten. Serienmäßig am Schalthebel oder auf Wunsch mit den Active Shifting Schaltwippen am Lenkrad. Diese stehen, ähnlich wie beim Bentley Continental GT oder dem Aston Martin DB9 fest, drehen sich also auch im Maserati in Kurven nicht mit dem Lenkrad mit, haben dafür aber zumindest eine ordentliche Größe.

Groß – schöne Überleitung – ist auch der Touchscreen, der zwar ein sehr aufgeräumtes Cockpit bewirkt, bei dem manche Funktionen wie beispielsweise die Sitzheizung m.E. als eigener Knopf aber doch besser aufgehoben gewesen wären. Ansonsten reagiert das Display auf Berührungen vorbildlich und auch die Menüs sind recht klar strukturiert.

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Etwas komplexer ist da das kleinere Display zwischen den Armaturen. Hier kann man so ziemlich alle Funktionen und aktuellen Fahrzeugdaten wie auch den Reifendruck oder den Digitaltacho abrufen, die große Auswahl und das navigieren über mehrere Ebenen ist allerdings auch ein gewisser Ablenkungsfaktor.

Grundsätzlich ist im Maserati einiges anders gelöst als in den ja meist recht klar durchdachten Cockpits gerade deutscher Automobilhersteller. Oftmals fragt man sich nach dem „warum“, ertappt sich aber mit der Zeit – und da reichen schon ein paar Stunden aus – dabei, eben genau diese Dinge lieben zu lernen. Dieses leichte „anders sein“, diese Non-konformität, eben diesen italienischen Sportwagen unter den Limousinen.

Ein Maserati ist eben eine Ausnahmeerscheinung. Ein Maserati ist anders. Erfrischend anders. Und daran ändert sich auch nichts, wenn man auf die angepeilten Stückzahlen von 50.000 Einheiten pro Jahr kommt. Neben dem Ghibli als Volumenmodell und demnächst dem Levante als SUV wird sicher auch der Quattroporte S Q4 seinen Anteil dazu beitragen. Denn mit 107.695 Euro hat Maserati den Einstieg in die absolute Luxus-Liga gegenüber dem GTS mit V8 Motor um rund 40.000 Euro gesenkt.

Mit den heckgetriebenen Quattroporte S und Quattroporte Diesel stehen übrigens noch zwei weitere Varianten der großen Limousine zur Wahl.

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Mein Fazit: Ein Sechszylinder hat nichts zu suchen, in einem großen Maserati. Wer so denkt, der wird im Quattroporte S Q4 schnell eines Besseren belehrt. Der Motor scheint wie geschaffen für das Auto. Auch sonst entwickelt sich der Quattroporte zu einer echten Alternative in der Oberklasse. Eine ideale Kombination von italienischem Charme und jeder Menge Platz, kombiniert mit der Anmutung und den Fahrleistungen eines Sportwagens.

Mein Dank geht an Maserati Deutschland für das zu Verfügung stellen des Testwagens und an das Schlosshotel Rettershof in Kelkheim für die wunderschöne Foto-Location.

Mehr Informationen zum Maserati Quattroporte S Q4 gibt es auf der Website von Maserati.

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Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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