Wie besang es einst Hans Albers? Vom Nordpol zum Südpol, ist nur ein Katzensprung. Klingt gut, dachte ich mir, und so stand nach meinem Abenteuer in der Antarktis 2019, gleich darauf, im Sommer 2020, eine Reise an Bord der brandneuen Scenic Eclipse zur Arktis auf dem Programm. Gut, der blonde Hans von der Reeperbahn besang das ja in entgegengesetzter Reihenfolge, aber haken wir dies an dieser Stelle einfach mal unter „künstlerischer Freiheit“ ab.
Kurs Nord! Endlich nach Spitzbergen!
Freiheit ist ein gutes Stichwort, denn mit der Freiheit zu reisen sah es alsbald relativ dunkel aus. Die Pandemie machte meinen Planungen recht schnell und knallhart einen Strich durch die Rechnung. Das ewige Eis, es rückte auf einmal in ganz weite Ferne. Zwei Jahre später nun aber kann ich meine Planungen dann doch noch in die Tat umsetzen. Es ist Ende Juli und eine Sondermaschine bringt mich von Oslo nach Longyearbyen.
Der nördlichste Verkehrsflughafen der Welt liegt auf der zu Norwegen gehörenden Insel Spitzbergen, Teil des Svalbard Archipels. Die Wolken hängen tief über den Hügeln der Insel, als die Boeing 757 der Titan Airways in den Landeanflug geht. Vor der Zweitausend-Einwohner-Stadt liegen im Longyear-Fluss gleich einige Expeditions- und Kreuzfahrtschiffe. Im Flughafengebäude wartet am Gepäckband bereits der erste Eisbär. Ausgestopft natürlich, aber immerhin.
Draußen regnet es, die Temperaturen liegen dennoch bei hochsommerlich warmen 9 Grad. Einsam, trostlos, grau – irgendwie hatte ich mir das alles genau so vorgestellt. Es passt perfekt zu meiner Expedition ans (diesmal andere) Ende der Welt. Mit dem Bus geht es auf eine kurze Tour zum weltweit größten Saatgut-Tresor und den hölzernen Masten der alten Grubenseilbahn. Alles wirkt verschlafen, verlassen, extrem unwirtlich, selbst im wärmsten Monat des Jahres.
Giga-Yacht als Kreuzfahrtschiff: die Scenic Eclipse
An der kleinen Pier des Ortes hat die Scenic Eclipse festgemacht. 2019 in Dienst gestellt, stand beim Design des Schiffes, so heißt es, die Yacht vom einstigen Microsoft Gründer Paul Allen Pate: die Octopus. Jene soll Scenic-Gründer Glen Moroney einst einmal erspäht und daraufhin beschlossen haben, für sein zuvor auf Flusskreuzfahrten spezialisiertes Unternehmen ein Hochsee-Kreuzfahrtschiff zu bauen. Eines eben, das nicht wie ein Kreuzfahrtschiff aussieht, sondern wie eine Giga-Yacht.
Diesen Anspruch hat man definitiv in Perfektion umgesetzt. Es ist das optisch mit Abstand außergewöhnlichste Kreuzfahrtschiff, welches ich jemals betreten habe. Von der Gangway aus erreiche ich die Scenic Lounge, das Zentrum des Schiffes. Auch hier erinnert wenig an ein klassisches Kreuzfahrtschiff. Stattdessen herrscht hier ein Design vor, wie man es in modernen Luxushotels verorten würde.
Lediglich die heute hier zur Einschiffung aufgestellten Schwimmwesten lassen an die durchaus maritimen Begebenheiten erinnern, die in den nun folgenden Tagen auf die auf dieser Reise gut 150 Passagiere warten. Die Seenotrettungsübung wird in entsprechend sehr privatem Rahmen durchgeführt, dann begleitet mich mein persönlicher Butler auch schon zu meiner Suite.
Eine Suite wie im Luxus-Hotel
Jene Suiten sind ausschließlich im vorderen Teil des Schiffes zu finden und erstrecken sich über die Decks 5 bis 9. Meine hört auf die Nummer 505 und befindet sich recht weit vorne auf der Steuerbordseite. Sie gehört zur Kategorie Grand Deluxe Verandah und ist mit ihren rund 38 Quadratmetern ein Stückchen größer als die Standard Verandah-Suites mit etwa 32 Quadratmetern.
Nach dem Öffnen der Tür stellt sich ein echter Wow-Effekt ein. Denn auch hier erinnert nichts an eine klassische Kreuzfahrtschiff-Kabine. Ein luxuriöses Hotelzimmer mit viel Platz und wunderbaren Möbeln, gehalten in hellen Grau- und Beigetönen, sowie dunklem Holz. Dazu: viel Spiegelfläche, eine raumhohe Fensterfront und ein begehbarer Kleiderschrank.
Generell ist die Kabine mit viel Staufläche ausgestattet und auch die Anzahl der Steckdosen ist mehr als erfreulich. Schmerzlich vermisse ich hingegen zwei, drei Kleiderhaken im Eingangsbereich, an welchen man seine, gerade nach Zodiac-Fahrten oftmals nassen Jacken und Hosen trocknen kann, will man diese nicht gleich zur übrigen Kleidung in den Schrank hängen.
Viele Annehmlichkeiten und alles vom Feinsten
Natürlich gibt es eine Kaffeemaschine und die im Reisepreis inkludierte Minibar wird täglich mehrfach mit den Wunschgetränken frisch befüllt. Auffüllbare Wasserflaschen zum Mitnehmen stehen ebenso bereit wie Headsets für Landausflüge – auf meiner Reise eher von geringerer Bedeutung.
Mein persönliches, kleines Highlight hingegen ist der in einer Schublade des Schreibtischs schlummernde Dyson Fön! Bislang nur von Bildern gekannt, erweckt er im Laufe der Reise große Begeisterung ob seiner schnellen Trockenleistung. Zu unbedacht eingesetzt fliegt dabei allerdings auch schonmal sämtliches Papier vom Schreibtisch. Beeindruckend.
Wobei, viel Papier kann nicht wegfliegen, denn die Scenic Eclipse ist ein papierarmes Schiff. Einladungen, Reservierungsbestätigungen oder auch Informationen zum Zeitzonenwechsel werden mittels kleiner E-Ink-Tafeln auf die Kabine gelegt, Tagesprogramm und Informationen lassen sich über den großen Fernseher abrufen, der, quasi vollkommen unsichtbar, in der raumhohen Spiegelfront neben der Balkontür versteckt ist.
Function follows Form
Das ist von designtechnischem Standpunkt her zwar mega cool gemacht, doch kann man in dem Fall „quasi unsichtbar“ gleich in doppeltem Sinne wörtlich nehmen. Denn tagsüber lässt sich vor lauter Spiegelungen so gut wie nichts am Bildschirm erkennen.
Dass die Funktion hier und da der Form folgen muss, ist auch im recht geräumigen Badezimmer zu bemerken. Auch dort schaut alles extrem schick aus und die Ablagefläche ist durch den großen Spiegelschrank optimal, doch bergen scharfe Ecken und Kanten hier, gerade bei stärkeren Schiffsbewegungen, ein gewisses Verletzungsrisiko. Gleiches gilt für die sehr schnell von selbst zufallende, schwere Badezimmertür.
Neben Badezimmer, begehbarem Kleiderschrank, Schlafbereich und Wohnbereich verfügt die Kabine natürlich auch noch über eine ansehnliche Terrasse. Diese ist bestückt mit zwei Sesseln und einem Tisch. Auf eine Sonnenliege hat man verzichtet, obgleich auch diese sicher noch ihren Platz gefunden hätte. Doch Regionen, in denen Sonnenanbeter über Gebühr auf ihre Kosten kommen, sieht die Scenic Eclipse bauartbedingt eher selten. Sie ist ein extremes Schiff, gebaut für extreme Fahrtgebiete. Die Antarktis, Spitzbergen, Grönland, die Nord-West-Passage, Alaska.
Zwei Wochen auf Expedition mit der Scenic Eclipse
Meine Tour beginnt in Longyearbyen und endet zwei Wochen später in Reykjavik. Das sind im Grunde dann auch schon alle fixen Punkte. Dazwischen: einige Tage rund um Svalbard, die Überfahrt nach Grönland und das Kreuzen durch die dortigen Fjorde, so der grobe Plan. Der Rest folgt dem Wetter, den Stürmen, der See – und dem Eis.
Nun habe ich inzwischen ja schon ein bisschen Erfahrung, was die Teilnahme an einer Expeditionskreuzfahrt angeht. Fixpunkt eines jeden Tages ist auch auf der Scenic Eclipse das Recap & Briefing mit dem Expeditionsteam. Dieses besteht auf dieser Reise aus knapp 20 Personen: Wissenschaftlern verschiedener Themengebiete, Piloten, Technikern und Ross, dem Expeditionsleiter.
Immer um 18:30 Uhr warten interessante Vorträge zu dem, was es am Tag so alles zu sehen gab und dem, was uns am kommenden Tag voraussichtlich erwarten wird. Im vorangehenden Plant & Critter Club kann, wer will, fotografierte Pflanzen und Tiere identifizieren lassen. Natur ist definitiv das, weswegen hier jeder an Bord ist. Die Annehmlichkeiten eines Ultra-Luxus-Schiffes sind dabei das angenehme Beiwerk.
Expedition, das heißt auch: wenig Schlaf, frühes Aufstehen und die ewige innerliche Bereitschaft, Kamera und Arktis-Parka (den gibt es für jeden Passagier kostenlos) zu schnappen und nach draußen zu spurten, so über die Sichtung seltener Tiere informiert wird. Jene Informationen kommen über das Intercom-System des Schiffes.
Früh aufstehen, lange wach bleiben
Leider hat man es beim Bau versäumt, zwei parallele Sprechanlagen in den Kabinen einzurichten. Eine Möglichkeit, die Durchsagen auszuschalten, beispielsweise, will man nun undankbarer Weise den eigenen Schlaf dem seltenen Auftauchen der heimischen Trottellumme vorziehen, gibt es nicht.
Auch eine Regulierung der Lautstärke ist nicht vorgesehen und so dröhnen jene Durchsagen mit exakt der akustischen Eindringlichkeit ins Ohr, die eigentlich für den Alarm im Falle eines Notfalls gedacht ist. Aber gut, so ist das eben auf Expeditionskreuzfahrten. Und irgendwie – lässt der kalte Seewind selbst nach gefühlten drei Stunden Schlaf augenblicklich Glücksgefühle aufsteigen, speziell im Anblick eines gar mächtigen Finnwals, der sich elegant parallel zum Schiff für seinen nächsten Tauchgang rüstet.
Theoretisch müsste man ja auch einfach nur früher ins Bett gehen. Doch genau das will mir auf dieser Reise so rein gar nicht gelingen. Denn es ist Ende Juli und wir befinden uns weit, weit nördlich des Polarkreises. Polartag ist das Stichwort. Die Sonne, sie wird in den kommenden Tagen nicht ein einziges Mal untergehen.
So richtig merkt man das nach der Abfahrt in Longyearbyen auf Grund des Wetters allerdings erst einmal nicht. Doch schon in der zweiten Nacht, irgendwann zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens, bricht die Wolkendecke auf. Der blaue Himmel kommt langsam zum Vorschein, die Sonne spiegelt sich über der ruhigen See. Ein Gänsehautmoment, nicht nur auf Grund der Temperaturen. Und nun mal ehrlich, wer kann bei so einem Spektakel schon allen Ernstes ans Schlafen gehen denken?
Mitternachtssonne – Willkommen im Polartag
Im Grunde – so ziemlich jeder hier an Bord. Mit Ausnahme von mir natürlich. Und so stehe ich mutterseelenalleine auf dem großen, hölzernen Vordeck der Scenic Eclipse und lasse mich von der Sonne bestrahlen. Jenes Deck ist ein ganz wunderbarer Ort mit fantastischem Blick. Hier ist man ganz nah dran am Geschehen, an der Natur. Darüber hinaus auch nur durch wenige Meter und die hübsche Observation Lounge von meiner Kabine getrennt. Besser geht es nicht.
Die Mitternachtssonne, ich lasse sie mir in keiner einzigen der Nächte entgehen. Zu eindrucksvoll, zu einmalig, ja zu berauschend ist das Gefühl, wenn Tag und Nacht Eins sind, wenn die Uhrzeit auf einmal sämtliche Relevanz verliert.
Leider verliert sie diese allerdings nur für mich. Und so ist am nächsten Morgen meist schon recht früh wieder das Aufstehen angesagt. Für den perfekten Schlaf zwischendurch sorgt nicht nur das fantastische, elektrisch verstellbare Bett, sondern auch das elektrische Rollo, welches die Kabine tatsächlich komplett abdunkelt. Nacht ist, wann du es willst. Egal zu welcher Uhrzeit. Nicht schlecht.
Zodiac-Touren und Anlandungen
Auf dieser Reise gibt es, bis auf wenige Ausnahmen, an jedem Tag immer zwei Ausflüge. Meist ist einer davon eine reine Zodiac Tour, der andere eine Anlandung. Um den Ablauf besser koordinieren zu können und darüber hinaus auch sicherzustellen, dass immer nur die maximal für diese Regionen zugelassene Anzahl an Personen gleichzeitig an Land ist, sind die Passagiere in vier Gruppen aufgeteilt. Grün, Rot, Gelb und Blau. Jeden Tag wird durchrotiert, welche Gruppe die erste, zweite, dritte oder vierte ist.
Zur vorab angegebenen Uhrzeit findet man sich dann mit seinem schönen Parka, der Rettungsweste, wasserdichten Hosen (ein Muss!) und dem, was man sonst noch braucht (Schal, Mütze, Kamera etc.) in der Scenic Lounge ein. In ein Zodiac passen 10 Gäste, besetzt werden diese allerdings mit maximal acht Gästen, oftmals auch weniger, sodass man viel Platz hat.
Auf Deck 3 befindet sich der große Schuhraum. Hier sind die wasserdichten Stiefel gelagert, die während der Reise bereitgestellt werden. Von jenem Discovery Center aus sind es nur ein paar Schritte zur Anlegestelle der Zodiacs. Stiefel desinfizieren und dann geht’s auch schon los.
Die Route der Scenic Eclipse folgt den Wetterbedingungen
Krossfjorden, Signehamna, Crozierpynten, Murchisonfjorden, Ytre Norskøya und Smeerenburg heißen die Ziele in Svalbard, ehe es zum nördlichsten Punkt der Reise am 81. Breitengrad geht.
Der größte Wunsch, einmal einen Eisbären zu sehen, also einen lebendigen, nicht den vom Gepäckband in Longyearbyen, erfüllt sich bereits in Murchisonfjorden. Mit viel Sicherheitsabstand hätte es allerdings eines deutlich besseren Objektives bedurft. Die Arktis ist eben nicht die Antarktis und Eisbären keine Pinguine, die bis auf wenige Meter – oder Zentimeter – auf einen zulaufen. Und Gott bewahre, wenn sie dies tun!
Halbwegs erkennbar ist Mister (bzw. Lady) Polar Bear aber sogar mit meinem Equipment. Nicht ganz klar bei dieser Begegnung ist allerdings, wer hier wen beobachtet. Der Eisbär jedenfalls liefert uns eine Hollywoodreife Show, kraxelt ein wenig die Felsen auf und ab, ehe er sich lasziv auf dem Rücken wälzt und sich schließlich ein Nickerchen gönnt. Was für sensationelle Momente.
Ich möchte ein Eisbär sein…
Doch so majestätisch und wunderbar diese Tiere auch aussehen, so gefährlich sind sie selbstredend auch. Erst nach gründlicher Inspektion einer möglichen Anlandestelle wird diese für Passagiere freigegeben, Eisbärhüter stehen dabei auf Anhöhen und beobachten pausenlos die Lage.
Ist ein Eisbär gesichtet, darf kein Passagier mehr von Bord, alle anderen müssen unverzüglich in Sicherheit gebracht werden. Für den extremsten Fall der Fälle, der hoffentlich niemals eintritt, sind jene Eisbärhüter außerdem bewaffnet.
Angriffen ganz anderer Art bin ich bei meinem Besuch in Smeerenburg ausgesetzt. Gelegen im äußersten Nordwesten der Insel, wurde der Ort im 17. Jahrhundert ein Zentrum des Walfangs. Noch heute sind einzelne Ruinen zu sehen, doch sind die einzigen Bewohner inzwischen eine Walrossherde und ein paar Küstenseeschwalben.
Jene gelten als eine der aggressivsten und angriffslustigsten Vogelarten in Europa. So ganz ernst genommen hatte ich das beim vorangegangenen Briefing noch nicht. Doch als eines dieser gar so possierlichen Tierchen seinen verwegenen Angriff auf meinen Kopf startet, erinnere ich mich recht schnell wieder an die Empfehlung, einen Arm (selbstredend mit Handschuh) nach oben zu recken. Profis nehmen statt des eigenen Armes zwar eine Holzstange, doch will, soll und muss man die Natur hier ja genauso zurücklassen wie man diese vorgefunden hat.
Von Walrössern und heimtückischen Attacken
Geradezu zahm und lieb geben sich dagegen die Walrösser, die neugierig die Schlauchboote am Strand beobachten. Zum Kentern bringen könnten sie diese aber dennoch. Vorsicht ist also auch hier durchaus angebracht. Glücklicherweise riecht man die Pfundskerle aber schon lange, bevor man sie sieht. Also, je nachdem, wie der Wind steht.
Mit respektvollem Abstand unsererseits beobachten wir die außergewöhnlichen Tiere, wie sie es sich am fast schon karibisch feinen Sandstrand gutgehen lassen. Dann allerdings heißt es auch schon Abschied nehmen. Von Smeerenburg, von Spitzbergen, vom ganz hohen Norden.
Nach einem erneuten, kurzen Abstecher in den Hafen von Longyearbyen (der Weinkeller hat inzwischen einen kritischen Stand erreicht und der entsprechende Container wurde Tage zuvor nicht rechtzeitig geliefert) begibt sich die Scenic Eclipse dann auf ihre zweieinhalbtägige Überfahrt nach Grönland. Genügend Zeit also, sich das Schiff einmal etwas genauer anzusehen.
Die Reise geht weiter – in Teil 2 der Scenic Eclipse Reportage
Hinweis zur Transparenz
Der Bericht entstand im Rahmen einer Pressereise mit freundlicher Unterstützung von Scenic Cruises. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand – wie üblich – nicht statt.
Fotos: © PCS 2022
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