Vier Stunden. Das ist die Zeit, die ich nun hier in der Airport Lounge in Heathrow verbringen darf. Zeit, die ich eigentlich nutzen könnte, einen Bericht über jenes Schiff zu schreiben, welches ich heute früh in Southampton verließ. Stattdessen aber sitze ich hier und starre Löcher in die Luft. Was? Bitte? War? Das???
Livin‘ on the Edge
Vierundvierzig Stunden. Das ist die Zeit, die ich zur Verfügung hatte, um das neuste Schiff von Celebrity Cruises in Augenschein zu nehmen. Vierundvierzig Stunden, die bei mir so einiges auf den Kopf gestellt haben.
Doch gehen wir zwei Tage zurück. Ich bin auf dem Weg zur Celebrity Edge. Sie soll nichts Geringeres sein als der „Gamechanger“ einer ganzen Industrie. Zur Unterstreichung dessen wurde sie mit einer 18-Liter-Flasche – Wasser getauft. Wasser! Als ich das lese, will ich eigentlich direkt wieder umkehren. Schiffe werden mit Champagner getauft. Champagner! Nicht mit Wasser. Da schwimmen sie schließlich lange genug selbst drin. Will ich mit einem Schiff reisen, welches mit – nein. Will ich eigentlich nicht. Egal, nun ist es zu spät.
Modern, ausgeflippt, anders
Im Hafen von Southampton wartet er, der ganze Stolz von Celebrity Cruises. Nach der Reflection (hier gibt’s einen Testbericht über das bislang neuste Schiff der Flotte) herrschte sechs Jahre lang Ruhe an der Neubaufront. In der heutigen Zeit der extremen Expansion für Reedereien eine halbe Ewigkeit. Die Edge ist das Typschiff für insgesamt fünf Neubauten, die die Flotte bereichern sollen. Mit ihrem blauen Rumpf und den weißen Aufbauten schaut sie von Weitem ein wenig aus, wie die kleine, flippigere Schwester der Mein Schiff Flotte.
Klein allerdings ist relativ. Zwar ist die Edge mit 306 Metern rund 10 Meter kürzer als die neue Mein Schiff 2 (mehr zu dieser gibt es hier), doch mit gut 130.000 Tonnen misst sie fast 20% mehr als das deutsche Pendant. Bei nahezu gleicher Passagierzahl lässt dies ein noch einmal deutlich angenehmeres Platzgefühl erwarten.
Dass die Edge anders ist, als die anderen, das wird schon auf den ersten Blick klar. Ihr Bug ist das Gegenteil dessen, was man bei einem klassischen Kreuzfahrtschiff erwartet, der in knalligem Orange gehaltene, nur auf der Steuerbordseite vorhandene Magic Carpet wirft das Schiff optisch komplett aus dem Gleichgewicht. Ein Kreuzfahrtschiff, welches von der einen Seite so derart anders ausschaut wie von der anderen, das hat die Welt noch nicht gesehen.
Kurzreise ab Southampton
Zeit, an Bord zu gehen. Zusammen mit rund zweieinhalbtausend anderen Passagieren: Journalisten, Reisebüromitarbeitern, VIPs und Stammgästen. Es ist die Europapremiere des Schiffes nach seiner ersten Karibik-Saison. Dass das Schiff in Frankreich gebaut und somit streng genommen schon einmal in Europa war – lassen wir an dieser Stelle mal einfach als unnötiges Nerd-Wissen unter den Tisch fallen.
Trotz des nahezu zeitgleichen Eintreffens so vieler Gäste, geht das Boarding relativ zügig vonstatten. Dank Online-Check-In und eigener App kann man den meisten Papierkram schon vorher erledigen. Anstehen somit eigentlich nur kurz bei der Sicherheitskontrolle.
Meine Kabine an Bord ist die 10169. Es ist eine der sogenannten Sky Suites. Mit rund 30 Quadratmetern zzgl. Balkon sind diese etwa 50% größer als normale Kabinen an Bord. 146 Sky Suites gibt es auf der Edge und wie im Fall der Juniorsuiten der Mein Schiff Flotte „erkauft“ man sich mit ihnen den Zugang zu einem Exklusivbereich an Bord. Dieser heißt im Falle der Edge „The Retreat“ und besteht aus einer großzügigen Lounge, sowie einem wirklich riesigen Sonnendeck mit Bar. Ein „Schiff im Schiff“ Konzept ist in dieser ausgeprägten Form neu bei Celebrity.
Kein Vergleich, der hinkt
Und auch, wenn ich normalerweise kein großer Freund davon bin, die eine mit der anderen Reederei direkt zu vergleichen (dafür sind die Konzepte und Zielgruppen meist zu unterschiedlich), komme ich im Fall von Celebrity Edge und Mein Schiff 1 & 2 einfach nicht drum herum.
Zu ähnlich sind sich diese Schiffe in ihrem Grundaufbau und auch, wenn Lisa Lutoff-Perlo, CEO von Celebrity, dies in der Pressekonferenz verneint, dass die Produkte der deutschen Schwesterreederei hier nicht ums ein oder andere Mal Pate gestanden hätten, das kann man sich, schlendert man durch die Decks der Edge, nur schwer vorstellen.
So eben auch im „The Retreat“. Zwar fehlt der Retreat Lounge der schöne Blick nach vorne, dafür punktet das Retreat Sonnendeck mit eigenem Pool und Hot Tub, Bar, gemütlichen Sitzecken und jeder Menge Platz auf einer einzigen Ebene. Ja sogar Toiletten gibt es, sowohl in der Lounge wie auch auf dem Sonnendeck. Dafür sucht man Champagner, Kaviar & Co. zumindest auf dieser Reise allerdings vergebens. Irgendwas ist eben immer.
Ein Schiff im Schiff für Suitengäste
Im Gegenzug erwartet Suitengäste auf der Edge allerdings mit dem zwei Decks tiefer gelegenen Luminae ihr eigenes Restaurant, welches ihnen exklusiv zu Frühstück, Lunch und Dinner zu Verfügung steht. Das Luminae ist riesig, angesichts der Anzahl an Suiten (176 sind es insgesamt, rund 70% mehr als auf Mein Schiff 1/2) erscheint das allerdings auch sinnvoll.
The Retreat punktet mit einem wirklich sensationellen Design, für welches sich Interieur Designerin Kelly Hoppen verantwortlich zeichnet. Auch die Einrichtung der Suiten kommt von ihr.
Wirklich sensationell: die beiden Iconic Suites oberhalb der Kommandobrücke, die seitlichen Penthouse Suiten, sowie die zweigeschossigen Edge Villen mit atemberaubendem Blick und direktem Zugang zum The Retreat Sonnendeck.
Inifite Veranda – eine Neuheit der Celebrity Edge
In den Genuss einer weiteren Innovation an Bord kommen Gäste der Edge Staterooms: die Infinite Veranda. Bei ihnen ist der Balkon als eine Art Wintergarten in die Kabine integriert. Die obere Hälfte des bodenhohen und kabinenbreiten Fensters lässt sich elektrisch öffnen. Eine geniale Idee, die tatsächlich das Zeug dazu hat, die Kreuzfahrtbranche ähnlich zu revolutionieren, wie dies zuletzt die Einführung der Balkonkabinen selbst getan hat.
Denn das Konzept hat viele Vorteile. Frischluftfans können das Fenster nachts einen Schlitz geöffnet haben, bei schlechtem Wetter hat man seinen Wintergarten und somit mehr nutzbare Fläche als bei einem offenen Balkon. Da sich in solchen auch immer der Wind verfängt, lässt sich ein Schiff wie die Edge bei geschlossenen Balkonen deutlich leichter navigieren, kraftstoffsparender ist dies noch dazu.
Zusammen mit dem neuentwickelten Bug und einem den Rumpf umgebenden Luftfilm, verbraucht der Neubau gegenüber seinen nahezu gleichgroßen Vorgängern rund 23% weniger Treibstoff.
Betrieben wird die Edge allerdings weiterhin konventionell – mit Marinediesel oder Schweröl. Die Chance, auf LNG zu gehen, hat man bei der Edge und ihren noch folgenden vier Schwesterschiffen somit vertan. Zumindest Landstrom will man zukünftig aber – irgendwann – nutzen. Und der Rauch, der aus dem modisch gestylten Schornstein kommt, der ist reinweiß. Dank modernster Scrubber- bzw. Katalysatorentechnik. Dennoch: „Gamechanger“ – auf diesem Gebiet sind das definitiv andere.
Shopping bis zum Abwinken
Das mag auch daran liegen, dass Celebrity in erster Linie auf dem US-amerikanischen Markt daheim ist und dort andere Dinge wichtiger erscheinen. Shopping beispielsweise. Das kann man an Bord auf besonders luxuriöse Art und Weise. Tiffany & Co., Cartier und Bulgari sind mit eigenen Boutiquen vertreten, der Juwelier hat ein wirklich reichhaltiges Angebot an Uhren von Panerai, IWC, Breitling, TAG Heuer, Hublot und der amerikanischen Trendmarke Shinola. Ja, bei einem Glas Whisky kann man sich hier sogar ausgewählte Vintageuhren, unter Anderem von Patek Philippe, Rolex oder Omega anschauen. So bislang auch noch nicht auf einem Kreuzfahrtschiff erlebt.
Rund ein Dutzend Haupt- und Spezialitätenrestaurants, allesamt äußerst künstlerisch gestaltet, dazu jede Menge Bars gibt es auf den Hauptdecks. Sich da zurecht zu finden, kann auf einem Schiff dieser Größe mitunter zum Problem werden.
Mit unzähligen Hinweisen und kleinen Tricks ist die Celebrity Edge hier im wahrsten Sinne des Wortes richtungsweisend. Meine persönlichen Highlights: Aufzüge, die dank grün (für aufwärts) oder rot (für abwärts) leuchtenden Rahmen weithin sichtbar anzeigen, welcher Fahrstuhl gerade verfügbar ist und wohin dieser fährt. Sensationell einfach – und einfach sensationell. Schönes Detail: sowohl vor den Aufzügen wie auch innendrin genügt es, sich dem jeweiligen Knopf bzw. Touchscreen nur zu nähern. Ein echtes Drücken ist nicht nötig. Hygienisch perfekt gelöst.
Auf der Celebrity Edge gibt’s nix zu meckern
Bin ich auf einem Schiff, dauert es normalerweise nicht lange, bis mir Dinge auffallen, die man besser hätte lösen können. Fast schon enttäuschend fällt diesbezüglich mein Besuch auf der Edge aus. Außer dem mal wieder viel zu kleinen Kabinensafe und der Tatsache, dass das Herrichten der Kabine für meine Begriffe ein wenig zu lasch ausfällt, gibt es absolut nichts zu meckern. Steckdosen für alle gängigen Formate sind ebenso vorhanden wie USB Steckdosen, zwei davon sogar neben dem Bett.
Die Aufteilung der Kabine ist ideal, Materialien und Farben wunderbar, die Idee, das Do not Disturb Zeichen als Magnetschild auszuführen ebenso pfiffig, wie der einfahrbare Schreibtisch, der große Badezimmerspiegel, der, schiebt man ihn auseinander, das Bad zum Tageslichtbad werden lässt, und vieles mehr. Keine Frage, so baut man Kreuzfahrtschiffe heute. Das ist State of the Art, hier kann sich so ziemlich jede andere Reederei, sagen wir mal vorsichtig, inspirieren lassen.

Unten wohnen, oben schlafen: die Edge Villen sind als Duplex-Suiten ausgeführt. Eigener Whirlpool inklusive
Weniger klar komme ich, Premium All Inclusive verwöhnt, mit den Zahlungsmodalitäten an Bord. Getränkepakete, Einzelpreise, bei denen aus 7 Dollar für ein Bier dank 20% Autogratuity und lokalen Steuern durchaus mal 10 Dollar werden können, gehören für mich ins vorige Jahrzehnt, sind wenig innovativ und so gar nicht „gamechanging“.
Magic Carpet – einfach magisch!
Das ist dafür etwas anderes: der eingangs bereits kurz erwähnte Magic Carpet. Der stammt, wie auch der Rooftop Garden, aus der Feder des britischen Star-Architekten Tom Wright. Dieser ist unter anderem für seinen Entwurf des Burj al Arab in Dubai bekannt. Was das Burj für die Hotels, ist die Edge für die Kreuzfahrtschiffe. Klingt vermessen? Ich bin mir da gar nicht mal so sicher. Bug und Magic Carpet machen das Schiff nämlich bereits äußerlich zu einer unverwechselbaren Ikone.
Warum überhaupt der Magic Carpet? Alles begann mit der Idee einer Plattform, die den Zugang zu den Tenderbooten vereinfachen sollte, liegt das Schiff einmal nicht im Hafen. Bequeme Sitzmöbel erleichtern die Wartezeit, eine Bar sorgt für Erfrischungen. Mit der Idee, diese Plattform vertikal am Schiff auf und abfahren lassen zu können, entstand der Magic Carpet. Je nachdem, an welchem Deck die über 33 Meter lange und 6 Meter breite Plattform gerade andockt, ist sie Restaurant, Bar, Sunset-Lounge oder Open Air Club.
Was klingt, wie eine Spielerei, begeistert in der Realität sofort. Einzig ein wenig windgeschützter hätte man den multifunktionalen Riesenbalkon machen können, etwa durch höhere Glasfronten.
Neben Tom Wright und Kelly Hoppen haben auch noch weitere Designer und Architekten Hand an die Celebrity Edge gelegt. Unter ihnen Patricia Urquiola und das Wiesbadener Designbüro 3deluxe. Wer die Reviews hier auf Luxify aufmerksam verfolgt, dem werden beide Namen bekannt vorkommen von – der neuen Mein Schiff 2.
Willkommen im Garten Eden
Was dort der Diamant, ist im Fall der Edge das Eden. Auf gleich drei Ebenen hat Architekt Scott Butler hier einen unglaublich gemütlichen Bereich geschaffen, der für mich ein weiteres der vielen Highlights des Schiffes darstellt. Am gläsernen Heck entlangzulaufen, dabei die Kunstwerke und den Sonnenuntergang zu beobachten, ist einfach nur großartig.

Ein Rundgang verbindet das Eden Restaurant auf Deck 6 mit der Eden Bar (im Bild) und dem darüberliegenden Eden Café
Zweimal habe ich das Vergnügen auf dieser Reise, dann sind die vierundvierzig Stunden an Bord auch schon wieder vorbei. Genau wie die vier Stunden hier in der Airport Lounge. Ist trotz des Löcher in die Luft Starrens am Ende dann also doch noch was Produktives bei raus gekommen.
Fazit
Mein Fazit: ein solch kurzer Aufenthalt wie meiner auf der Edge ist nicht dafür geeignet, Rückschlüsse wie solche auf Servicequalität, Essen oder Abläufe unter „Normalbedingungen“ zu bewerten. Daher werde ich mein Fazit an dieser Stelle rein auf die Edge als Schiff beziehen. Als solches ist sie ganz klar der eindrucksvollste „Megaliner“, welchen ich in den letzten Jahren testen konnte. Design, Funktionalität und der durchdachte Aufbau sind definitiv richtungsweisend, suchen ihresgleichen. Chapeau!
Die Edge erscheint mir als ideales Schiff für Paare und Alleinreisende, die die internationale Gesellschaft suchen und auf ein Premium All Inclusive Konzept nicht ganz so viel wert legen. Die klassische 7-Tages Route durch die östliche Karibik startet in der Sky Suite bei 2.859 Euro p.P. bei Zweierbelegung (Cruise only). Inkludiert sind darin bereits 700 USD Bordguthaben pro Kabine. Mehr Informationen unter celebritycruises.de.
Hinweis zur Transparenz
Der Bericht entstand auf Einladung von Celebrity Cruises im Rahmen einer Gruppen-Pressereise. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand nicht statt.
Fotos: © PCS 2019 / Titelbild: © Celebrity Cruises
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