Nicht schon wieder ’ne Pepsi! Schaut man derzeit in die Kategorie Uhren bei Luxify springen einen gefühlt von überall die Farben Rot und Blau entgegen. Dabei war doch eigentlich „Grün“ DIE Trendfarbe dieser Baselworld. Ja wissen die das denn nicht?
Der Trend ist Grün – die Tradition Blau-Rot
Doch. Schon. Aber – das Zusammenspiel aus rot und blau ist eben alles andere als ein Trend. Es ist, auch gut sechs Jahrzehnte nach Präsentation der Rolex GMT-Master, eine verdammt schöne Farb-Kombination. Und es ist eine, die jeder Uhrenfan direkt mit einer ganz bestimmten Funktionalität verbindet. Die einer zweiten Zeitzone nämlich. Und das – muss man ja auch erst einmal schaffen.
Baselworld 2018: bei Rolex liegt also endlich eine GMT in Stahl mit der begehrten Pepsi Lünette im Fenster. Und ein Fenster weiter, bei der Tochtermarke Tudor? Da liegt – gleich noch eine! Genau genommen sogar drei. Eine mit Stahlband, eine am Textilstrap, eine am Lederband. Alle hören sie auf die Ref. 79830RB.
Was erlaube Tudor?
Mein erster Gedanke: ist das deren Ernst? Wirklich? Pepsi hier, Pepsi auch dort? Spricht man sich bei sowas denn eigentlich nicht ab? Und überhaupt: eine GMT von Tudor – was soll das?
Als Tudor 2012 (ja, das ist wirklich schon wieder so lange her) die Taucheruhr Black Bay als zweites Modell seiner Heritage Linie herausbrachte, konnte man ja noch mit einem historischen Vorbild argumentieren. Spätestens jetzt, sechs Jahre später bei der Black Bay GMT aber, zieht dieses Argument nicht mehr. Denn eine Tudor GMT hat es historisch gesehen schlichtweg so nicht gegeben.
Daraus macht man bei der offiziellen Pressekonferenz erfreulicherweise aber auch gar keinen Hehl. Eine Sache, die ich bei den Tudor PKs so sehr mag, ist genau diese Offenheit, mit der man seine Produkte vorstellt, sich dabei auch selbst nicht immer ganz so ernst nimmt. Fast vergisst man da für einen Augenblick die oftmals doch eher geheimnisvolle Informationspolitik der großen Muttermarke.
Der Masterplan von Tudor
Wer heutzutage eine Vintage-Uhr, sei es eine Big Crown Submariner oder eben eine Vintage GMT der Ref. 6542 erwerben will, der muss ein prall gefülltes Spaß-Konto haben. Unter einem satten sechsstelligen Betrag geht für besonders schöne Stücke im Regelfall nichts mehr und auch die Modelle von Tudor ziehen in diese Regionen nach. So zeigt die Präsentation in Basel beispielhaft eine Ref. 7924 von 1959, die bei Christie’s für über 90.000 USD versteigert wurde.
Mit der Heritage Linie will Tudor nun auch diejenigen ansprechen, die diesen so berühmten Look lieben, aber eben nicht bereit sind, so verdammt viel Geld dafür auszugeben. Oder eben die Sorglosigkeit einer modernen Uhr bevorzugen. Und seien wir ehrlich: Vintage ist ein Haifischbecken.
Warum wir die Black Bay generell nicht mögen dürfen – und die GMT verteufeln müssen
Ich merke, ich argumentiere mich hier gerade um Kopf und Kragen. Dabei ist die Sache doch eigentlich ganz klar. Ich bin mit Vintage aufgewachsen, es gibt immer noch eine Reihe von Vintage Uhren der 60er und 70er Jahre, die mit etwas Recherche um verhältnismäßig kleines Geld zu kaufen sind – es muss ja eben auch nicht immer Rolex sein – und neue Uhren im Vintage Look sind schon einmal per se nix, denn sie geben vor, etwas zu sein, was sie nicht sind und degradieren das technische Meisterwerk Armbanduhr zum reinen Fashion-Accessoire.
Alles klar also. Wir verteufeln Retro. Und die Black Bay, die mögen wir schonmal gar nicht. Aus Prinzip. Weil ist eben so.
Die geilere Pepsi
Hmmmmmm. Das Problem an der Sache aber: so einfach ist das alles nicht. Denn mein zweiter Gedanke, als ich die beiden GMT Neuheiten nur wenige Meter voneinander entfernt nacheinander betrachtete war: eigentlich ist die Tudor – die geilere Pepsi.
Das bleibt aber jetzt bitte unter uns. Denn mein dritter Gedanke war: hast du sie eigentlich noch alle? Und daher lassen wir jetzt mal ganz schnell die unerklärbare spontane Euphorie ein wenig sacken und beginnen das eigentliche Review mit den fünf Dingen, die ich an der Tudor GMT nicht mag.
Fünf Dinge, die ich an dir hasse
Punkt 1 ist ganz klar das Gehäuse. Wie bei allen anderen Black Bay Modellen ist es für mein ästhetisches Empfinden schlichtweg zu dick. Ein klein wenig dünner, dafür eine sattere Bombierung des Rückendeckels und die Proportionen wären perfekt. Dass es auch anders geht zeigt übrigens die ebenfalls dieses Jahr präsentierte Black Bay Fifty Eight, der ich mich demnächst, fürchte ich, auch nochmal in einem Review widmen werde müssen.
Punkt 2 der Dinge, die ich an der Tudor GMT nicht mag, ist das Datum, genauer der Schriftfont. Er ist irgendwie ein wenig langweilig und wirkt, speziell ohne eine Zyklop-Lupe, etwas verloren. Ok, kann man mit leben, ginge aber besser.
Punkt 3: die Snowflake-Zeiger. Ich mag die Snowflake-Zeiger, aber was zuviel ist, ist nunmal zuviel. Und die zusätzliche, dritte Schneeflocke im 24-Stunden-Zeiger, die hätte echt nicht sein müssen. Ein kleines Dreieck wäre hier definitiv mehr als ausreichend gewesen.
Punkt 4 – sagte ich echt, es gäbe fünf Dinge, die ich an der Tudor GMT nicht mag? Dann habe ich nun ein Problem. Denn mit meiner Kritik bin ich hier denn auch schon fertig. Wirklich. Wie gerne würde ich nun abgrundtief weiterhassen, weiterdissen. Doch beim besten Willen, es will mir nicht gelingen. Manche echauffierten sich ja zumindest noch ein wenig über die Zahlen auf der Lünette. Doch selbst da finde ich kein Wort der Kritik. Im Gegenteil. Ich finde den Schriftfont gleichermaßen spannend wie außergewöhnlich (warum eigentlich hat man den nicht auch für ein (blau-rotes) Datum genommen?).
Ein Meisterwerk in Rot und Blau
Nun, wo wir schon bei der Lünette sind: bitte, wie großartig gewählt sind diese Farbtöne? Da kämpft die Rolex GMT-Master 126710 BLRO mit unter Kunstlicht zu violett wirkendem Blau und bei Tudor ist – alles perfekt! Ein schön ins Grau gehendes Petrolblau, ein sattes Rot mit leichtem Hang zu frischem Orange. Diese Lünette müssen Menschen entworfen haben, die den ganzen Tag verzückt vor gealterten Alu-Inlays der Muttermarke ausgeharrt haben. Fast wünschte man sich, sie hätten auch die Lufthansa bei ihrer neuen CI beraten.
Genug aber des überschwänglichen Schwärmens. Werden wir mal wieder etwas sachlicher. Kommen wir zum Uhrwerk. MT5652 heißt das und ist ein gänzlich neu entwickeltes Manufakturwerk. Das bedeutet, dass die zusätzliche Funktion der zweiten Zeitzone nicht etwa über ein aufgesetztes Modul verwirklicht wurde, sondern voll ins Kaliber integriert ist.
Der Aufzugsrotor zieht die Uhr in beiden Richtungen auf, die Gangreserve beträgt rund 70 Stunden. Dazu gibt es eine amagnetische Siliziumfeder und eine offizielle Auszeichnung als Chronometer nach COSC. Die Funktion des Einstellens der zweiten Zeitzone ist übrigens gleich der der Rolex GMT-Master II. Der 12 Stundenzeiger für die jeweilige Ortszeit kann also unabhängig von der Heimatzeit (24-Stunden-Zeiger) stundenweise verstellt werden.
Liebe zum Detail
Die Zeiger sind perfekt proportioniert. Der Minutenzeiger (dankbarerweise eben nicht mit einer Schneeflocke versehen) reicht bis tief in die Minutenstriche, der Sekundenzeiger fährt das Äußere der Eisenbahn-Minuterie ab, der 24-Stunden-Zeiger geht sogar noch ein Stück weiter und kratzt schon fast am Rehaut.
Beim Blatt spricht Tudor von einem gewölbten, schwarzen Blatt. Die matte Optik passt zum Vintage Look, kommt ein wenig kühl daher und lässt die Frage offen, ob und wann man vielleicht noch eine Gilt Dial Version, eine Variante mit goldenen Schriftzügen also, nachlegt.
Gut tut der Black Bay die neue Big Crown Aufzugskrone, deren Rosen-Relief geprägt ist und die erfreulicherweise auch ohne einen farblichen Kontrastring auskommt.
Bleibt die Frage, was eine Rolex eigentlich so teuer macht
Fun Fact: mit 200 Metern ist die angegebene Wasserdichtigkeit gar doppelt so hoch wie bei der GMT von Rolex. Weniger als halb so groß hingegen: der Preis. 3.620 Euro kostet die Tudor Heritage Black Bay GMT mit dem Oyster – äh, ich meine – Stahlband, 3.330 Euro sind für das Modell mit Terra di Siena Lederband oder Textilband zu zahlen. Rolex‘ Neue bringt es hingegen auf 8.400 Euro.
Klar. Kein Mensch, der die neue Rolex Pepsi GMT will, wird die Tudor als ernsthafte Alternative sehen, niemand, für den eine Vintage GMT finanziell in Reichweite ist, wird zur modernen Tudor greifen (wobei – warum eigentlich nicht?). Doch jeder, der Spaß an einer hinreißenden Vintage-Optik hat, der ein spannendes Manufaktur-Kaliber und gute Verarbeitung schätzt, das Ganze auch noch für einen fairen Preis, der wird sicher mehr als nur einen Blick riskieren.
Fazit
Mein Fazit jedenfalls ist klar: auf dieser Baselworld sind mir nur wenige Uhren mit einem auch nur ansatzweise so guten Preis-Leistungs-Verhältnis untergekommen. Die Tudor Heritage Black Bay GMT besticht darüber hinaus mit einem selbst für eiserne Vintage Fans sündhaft verführerischen Aussehen. Eine verdammt coole Alltagsuhr, die keinen Hehl daraus macht, wo ihre Wurzeln liegen. Und auch das ist irgendwie einfach sympathisch.
Datenblatt:
- Modell: Tudor Heritage Black Bay GMT, Ref. 79830RB
- Gehäuse: 41 mm, Edelstahl, wasserdicht bis 200 Meter, gewölbtes Saphirglas
- Zifferblatt: schwarz, matt, gewölbt, aufgesetzte Indexe mit Leuchtmasse, Zeiger mit Leuchtmasse
- Armband: vernietetes Gliederarmband aus Edelstahl mit Sicherheitsfaltschließe bzw. Lederarmband im „Terra die Siena“ Braun mit Sicherheitsfaltschließe bzw. schwarzes Textilband mit bordeauxfarbenem Streifen und Stiftschließe
- Uhrwerk: Manufakturwerk, Kaliber MT5652 (COSC), Automatik, 28.800 A/h (4 Hz), ca. 70 Stunden gangreserve
- Funktionen: 24-Stunden-Anzeige, unabhängig verstellbare, springende Stunde für eine zweite Zeitzone, Minute, Zentralsekunde mit Sekundenstopp, Fensterdatum bei 3 Uhr
- Preis: 3.620 Euro mit Edelstahlband, 3.330 Euro mit Leder- oder Textilband
- Erhältlich ab: Juni 2018
Fotos: © PCS 2018
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