Ich liebe die Berge. Keine Gegend übt größere Faszination auf mich aus. Seit ich ein Kind war, ging es jedes Jahr in die Berge. Klettern und Rad fahren im Sommer, wandern im Herbst und Ski laufen im Winter. Wenn es möglich ist, fahre ich zweimal im Jahr aus der großen Stadt in die beschauliche Welt in den Alpen und genieße die Abwechslung. Entsprechend euphorisch war ich, als sich die Gelegenheit ergab, das rocksresort im Graubündnerischen Laax zu besuchen. Percy und Aktivurlaub? Das mache ich mal lieber, dachte ich mir.

Ich kenne einige Skigebiete in Deutschland und in Österreich, vor allem aber viele in der Schweiz. Die meisten dieser Skigebiete leiden darunter, dass sie – tja – nur Skigebiete sind. Mit dem ersten Schnee öffnen die Lifte und die Touristen kommen in den Ort. Nach der Schneeschmelze im März gleichen viele Orte dann Geisterstädten, bis die nächste Skisaison beginnt.

Im Schweizerischen Graubünden haben sich die Orte Flims, Laax und Falera zusammengetan und treten im Sommer gemeinsam unter der Marke Flims, im Winter unter der Marke LAAX auf. Hier soll man das Beste für Sommer und Winter finden. Zwei Wochen vor unserer Abreise bekam ich das Programm unserer Reise und konnte lesen, was sich mir dort alles bieten sollte: eine Führung durch den Ort, eine siebenstündige Wanderung, ein Besuch in der Sternwarte, ein halber Tag auf dem Mountainbike mit Technikkurs sowie ein Besuch in der Freestyle-Academy, einer Kletter- und Fitnesssporthalle. Wir haben zwei Tage Zeit, also gehen wir’s an!

start

Flims liegt auf einer Höhe von 1.081m über dem Meeresspiegel. Aus dem Ort und aus den Nachbarorten Laax und Falera führen 29 Lifte in das Skigebiet und auf eine Höhe von 2.700m. Böse Überraschungen muss dort keiner befürchten: Der Status sämtlicher Lifte und Pisten ist stets online oder über App einsehbar, und wer dort Ski fahren möchte, kann sich Tickets und Karten online buchen. Mit dem Auto geht es in die Garage unter den Lift, auf dem Weg nach oben greift man das gegebenenfalls gemietete Material und steigt im Trockenen in den Lift. Wer möchte, steigt also zu Hause ins Auto und quasi auf dem Berg wieder aus.

Als ich am ersten Morgen mit Melanie, der charmanten PR-Managerin und Mediensprecherin der Gegend verabredet bin, sehe ich nicht viel von dieser Maschinerie. Was auffällt, ist die Zurückhaltung, mit welcher die Anlagen in die Berglandschaft eingefügt sind: die Talstationen heben sich kaum von den umhergelegenen Häusern ab, und die Seilbahnen schweben dezent durch die Landschaft. Die Seilbahnen interessieren uns heute jedoch nicht, denn wir gehen zu Fuß auf den Berg.

Unser Ziel ist der Cassonsgrat auf 2.700m Höhe. Der untere Teil der Route ist durch den Bergsturz gekennzeichnet, der vor fast 10.000 Jahren eine sechs Kilometer lange Flanke am Berg hinterließ. Das abgestürzte Gestein wurde noch hunderte von Kilometern entfernt am Bodensee gefunden. So führt unser Weg durch beeindruckende Geröllfelder mit haushohen Felsbrocken. So schön es dort heute ist, so froh bin ich, vor zehntausend Jahren woanders gewesen zu sein.

Im Lauf der Jahrhunderte hat sich dann das Wasser wieder seinen Weg gebahnt.

wanderung2

Der Flimser Wasserweg führt über sieben Brücken, die vom Ingenieur Jürg Conzett behutsam in die Landschaft eingefügt wurden. Jede Brücke für sich ist ein Kunstwerk!

wanderung1

Am oberen Ende des Wasserwegs bin ich mal wieder ganz sicher, der erste Mensch zu sein, der sich in derartige Höhe vorgewagt hat. Wenige Meter später erwartet uns dann die Segnes-Hütte, eine modern ausgestattete Berghütte mit feiner Küche und beeindruckender Getränkeauswahl. Eine große Gruppe Wanderer lässt mich daran zweifeln, mit meinem Aufstieg wirklich Pionierarbeit geleistet zu haben, und so streben wir nach Höherem: nach unserer Pause machen wir uns auf den Weg auf die Spitze des Cassons. Ein wunderbarer Blick über die Tschingelhörner begleitet unseren Aufstieg.

wanderung3

Melanie erklärt mir die Geschichte der Kante im Berg, die durch Plattenverschiebung entstanden ist, und ich bin froh, dass sie in der Höhenluft den anstrengenden Part des Redens übernimmt. So ist unsere sieben-Stunden-Tour nach viereinhalb Stunden vorbei, und ich habe nachmittags Zeit, den Pool und Wellness-Bereich des Signina-Hotels zu besuchen. Dort erwarten mich verschiedene Saunen und Ruhebereiche – traumhaft! Aber wir sind ja zum Arbeiten hier, oder?

Am nächsten Morgen treffe ich Marco an der Bike-Schule in Flims. Marco ist 26 Jahre alt und leitet mit Freunden die Ski- und Mountainbike-Schule. Für den heutigen Tag ist er mein Bike-Guide.

Mein ganzes Leben lang fahre ich schon Rad, und ich habe auf meinem Rennrad mehrfach die Strecke um die Erde zurückgelegt, so dass ich denken könnte, ich hätte schon alles erlebt. Was ich aber in Flims gesehen habe, hat mich wirklich beeindruckt. Unglaubliche 330km Bike-Routen stehen bereit, unter anderem unser heutiger Spielplatz, der Trek Runca-Trail. Der Runca-Trail ist Europas längster Single-Trail mit einer Länge von 7,5km.

trail1

An unserem Treffpunkt an der Bike-Schule werde ich eingekleidet. Ja, Protektoren, bitte. Ja, gerne auch für die Schienbeine. Ja, lieber den Integralhelm. Wer weiß, was mich als Schönwetterfahrer aus der Stadt hier in den Bergen erwartet? Aber mein Fahrrad, ein aktuelles Freeride-Modell von Trek, ist bestens ausgestattet und perfekt eingestellt. So habe ich keine Ausrede für die ersten Trockenübungen im Skill-Parcours, der Übungsstrecke an der Talstation, wo kleine technische Übungen auf Schotter, in Steilkurven oder über Wippen trainiert werden können.

rad1
Ein Guide führt eine Mountainbikerin über den Skill-Parcours

Marco ist der geduldige Lehrer, den ich an diesem Tag brauche, und er beherrscht perfekt das Wechselspiel aus Zuckerbrot und Peitsche.

Nach einer halben Stunde sind wir dann im Sessellift zum Start des Runca-Trails. Ja, genau. Wer älter als 25 Jahre alt ist, möge sich bitte 2014 daran gewöhnen, dass man Berge nicht mehr selber hochfährt, um runterzufahren.

Der Runca-Trail ist perfekt. Er folgt schonend dem Profil des Bergs, ist gut erkennbar ausgeschildert und flüssig zu fahren, aber vor allem ist er derartig durchdacht konstruiert und präpariert, dass es eine Freude ist. Die Steilkurven haben exakt berechnete Radien und Höhen, die Schotterpisten sind gepflegt, und die Holzplanken in Kurven oder auf Brücken sind mit so genannter Sandfarbe behandelt, das heißt sie haben die Oberfläche von Sandpapier, so dass die Reifen auch bei Nässe nicht rutschen. Hier wird deutlich, dass jemand wirklich mit Ahnung und Spaß bei der Sache war.

trail2

Marco führt mich in der richtigen Geschwindigkeit den Berg runter, und weil wir gut durchkommen, fahren wir noch eine zweite Runde. Diesmal darf ich vorfahren.

rad2

Ich fahre etwas schneller als die erste Runde und frage mich unten, wie viele Minuten ich wohl auf Marco warten muss. Als ich anhalte und mich umdrehe, lächelt mich Marco an. Sein Gesicht ist staubtrocken, ich schwitze am ganzen Körper. Ich rede mir ein, dass das Vorausfahren sicherlich auch anstrengender ist und fühle mich wie ein Radweltmeister. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nicht so viel Spaß auf einem Fahrrad wie an diesem Vormittag in Flims.

Nachmittags wartet die Freestyle-Academy auf mich. Früher eine Tennishalle, heute ein Indoor-Sportspielplatz.

freestyle1

Ich bin für den Einführungskurs gebucht. Unser Instruktor Ben führt uns durch die Halle, vorbei an der Skatebowl und der Halfpipe zu den hohen Rampen. Am Ende der Halle stehen drei Schanzen für Skifahrer, Snowboarder und Skater/Rollerblader. Auf speziellen Matten – Skateboarder auf Holz – geht es über die Schanze in ein Becken, das drei Meter hoch mit Schaumstoff gefüllt ist.

freestyle2

Vor dem ersten Sprung ist es komisch, weil ich nicht weiß, was mich erwartet, aber ich falle weich und schaffe es, aus dem Becken zu klettern. An der Kletterwand vorbei geht es zu den Trampolinen, wo wir in die Grundübungen eingewiesen werden. Mir wird ein Sicherheitszertifikat verliehen, und ich bin stolz, dabei gewesen zu sein.

Flims hat es geschafft, sich für die Zukunft aufzustellen. Wo früher nur Ski gefahren werden konnte, gibt es heute ein ganzjähriges Angebot für Wanderer, Kletterer und Mountainbiker, aber auch für Erholungssuchende. Der Ausbau erfolgte dabei behutsam und im bestmöglichen Einklang mit der Natur. Und Natur gibt es reichlich, wie Sie demnächst hier auf luxify nachlesen können.

 

Fotos: © Gaudenz Danuser (8), Percy Christian Schoeler (3)
Text: © Nico Hoene, 2014

 

Kommentare