Omega, Longines, Blancpain oder auch Breguet sind Marken, mit denen wir uns hier auf luxify recht häufig beschäftigen. Ein Hands-on zu einer Swatch allerdings, das sucht man bei uns vergebens. Nun, suchte. Bis heute. Doch halt! Kann man, darf man das überhaupt machen? Eine Swatch? Hier auf luxify? Passt das? Es passt. Und das gleich aus mehreren Gründen.
Sistem Fly (YIS404)
Zum einen, weil es die ein oder andere eingangs erwähnte Marke ohne Swatch heute vielleicht gar nicht mehr in der Form gäbe, zum anderen aber auch, weil es luxify ohne die bunten Plastikuhren höchstwahrscheinlich nie gegeben hätte. Denn am Anfang des Interesses für Uhren stand auch bei mir – eine Swatch.
Sistem Soul (YIS402)
Eine? Nein, es waren schon ein paar mehr. Klassische, aber auch Scubas oder Ironys. Auch, als schon längst weit teurere Uhren mein Handgelenk zierten, hörte die Liebe zu den coolen Weckern aus der Schweiz nicht auf. Und ich bin mir ziemlich sicher, der ein oder andere Leser wird sich hier schnell wiedererkennen.
Swatch, wie fing das eigentlich alles an? Eine kurze Zeitreise. 1983 war es, als die erste Swatch das Licht der Welt erblickte. Acht Jahre später folgten auf die Quarz-Modelle die ersten Automatik-Swatches. Zum Zehnjährigen, 1993, gönnte man sich eine ganz besondere Edition, die Trésor Magique im Platingehäuse. Die erste (Edel-) Metall-Swatch. Ehrlich, was war ich da scharf drauf.
Sistem Clouds (SUTA401)
Auf Platin folgte ein Jahr später die Irony, die Swatch im Stahl-Gehäuse. Die neuste Revolution liegt gerade einmal drei Jahre zurück. Zum 30-Jährigen war Swatch 2013 mit eigenem Stand auf der Baselworld vertreten und zeigte: die Sistem51. Und eben die gibt es nun auch in Stahl. Der Online-Vorverkauf läuft seit vergangener Woche, in den Handel kommen die Modelle ab dem 9. September.
Das Revolutionäre an der Sistem51: ihr Uhrwerk entspringt dem weltweit ersten vollautomatischen Uhren-Herstellungsprozess. Als Verfechter von Manufakturkalibern und aufwändiger Handarbeit kann es einem bei diesen Worten eigentlich nur eiskalt den Rücken herunterlaufen. Gleichzeitig aber verspürt man Neugier. Was kommt bei sowas nur heraus? Und was genau steckt drinnen?
Das Uhrwerk der Sistem51 besteht aus 51 Komponenten (daher auch der Name) in fünf Baugruppen. Der Zusammenbau erfolgt komplett ohne Schrauben, lediglich durch zusammenstecken bzw. -löten. Einzig der transparente Rotor, der Dank eines kaum sichtbaren Gewichts sich scheinbar wie von Geisterhand aufzieht, wird mit einer Zentralschraube befestigt.
Das mechanische Uhrwerk mit automatischem Aufzug, welches sich selbst auf der Platine als ETA C10111 zu erkennen gibt, verrichtet seine Arbeit mit 21.600 Halbschwingungen und soll es auf eine Gangreserve von immerhin 90 Stunden bringen. Sogar finissiert ist das Werk, wenn auch nur durch aufgedruckte Muster.
Seit 2013 gibt es die Sistem51 in Plastik in immer neuen Editionen, 2016 nun also folgt die Sistem51 Irony. Deren Gehäuse besteht aus 316L-Edelstahl und bringt ein dementsprechendes Gewicht mit.
Swatch beschreibt das Gehäuse als 45-Millimeter X-Large, zieht man die Aufzugskrone von der Berechnung ab, bleiben zeitgemäße 42 Millimeter übrig. Mit 13,8 Millimetern Gehäusehöhe ist die Sistem51 Irony ein ordentlicher Brocken.
Gleich sechs Modelle gibt es zur Premiere, drei mit Lederband, eines mit Kautschuk-, zwei mit Metallband, eines davon in Bicolor. Die Preise? Bei 175 Euro geht der Spaß los, mit Stahlband legt man 195 Euro auf den Tresen, lediglich das Bicolor-Modell sprengt mit 210 Euro die magische 200-Euro-Grenze.
Das Objekt meines Reviews hört auf den Namen Sistem Fly und kommt mit blauem Sonnenschliff-Blatt und braunem Lederband in Alligator-Optik. Klassische, edle Optik, ein den Zeitgeist treffendes Blatt, das Ganze für eben jene 175 Euro – man muss kein Prophet sein um zu sagen, dass die Sistem Fly wohl der Verkaufsschlager der Serie sein wird.
Verpackt ist die Uhr in einem silbernen Umkarton, der bereits den Blick auf Zifferblatt und Uhrwerk frei gibt. Spätestens beim Öffnen der langen, durchsichtigen Plastikverpackung dann ist es wieder da, dieses Gefühl von früher. Eine neue Swatch. Cool.
Der Anhänger am Band gibt Auskunft, dass es sich beim Armband um ein Lederband handelt. Nicht duschen, nicht schwimmen. Ok. Dann lassen wir das – oder montieren ein anderes Band.
Doch auch das Bandsystem hat sich in den Jahrzehnten nicht wirklich geändert. Bänder von Drittanbietern sind somit weitestgehend außen vor, in den Swatch Shops wird es aber vielleicht die ein oder andere (schwimmtaugliche) Alternative geben.
Vom Gehäuse her garantiert Swatch auch bei der Sistem51 Irony 30 Meter (3bar) Wasserdichtigkeit. Klingt nicht viel, hat mich seinerzeit beim Sprung ins Schwimmbecken aber auch nie gekümmert. Uhrglas wie auch rückwärtiges Sichtfenster sind Swatch-typisch aus Plexiglas. Eine Tube Polywatch sollte man sich also sicherheitshalber parat legen. Nur für den Fall der Fälle.
Sistem Arrow (YIS403)
Das Band der Sistem Fly ist ordentlich gepolstert und würde von der Länge her sicherlich auch Sylvester Stallone passen. Zusammen mit der dann doch recht großen Dornschließe hat man ganz schön was am Arm, die vermutete Kopflastigkeit des Edelstahl-Gehäuses bleibt aus.
Das Gehäuse selbst kommt ohne scharfe Kanten oder gar feine Phasen aus. Es ist überall sanft abgerundet und hochglänzend poliert. Lediglich die Stahllünette darf etwas markanter daherkommen und ist mit blauen Verzierungen versehen.
Passend dazu: das Zifferblatt. Das Sonnenschliffblatt verfügt über das typische Schimmern im Licht, wenngleich der Effekt nicht so stark ist wie bei anderen (deutlich teureren) Uhren. Der Schliff sitzt hier eben nicht ganz so tief.
Zwei weiße Kreise zieren Das blaue Blatt der Sistem Fly. Rund um den äußeren Kreis sind die weißen arabischen Ziffern und die silberfarbenen Stundenindexe zu finden, die Minuterie wandert auf das silberfarbene Rehaut.
Etwas schade ist, dass die Indexe nicht mit Leuchtmasse versehen sind. Lediglich die flachen Stabzeiger für Minute und Stunde verfügen über Leuchtmasse.
Auf 3 Uhr ist das Datumsfenster untergebracht. Die Schnellverstellung erfolgt über die zweite Position der nicht ganz so perfekt zugänglichen Aufzugskrone. Die Zeit wird über die dritte Position der Krone verstellt. Auffällig: das C10111 verfügt über keinen Sekundenstopp, das Spiel der Zeiger ist recht großzügig bemessen.
Gut, dieses Werk mit einem x-fach teureren Manufakturkaliber zu vergleichen wäre gemein und soll sicher auch nicht Hintergrund dieser Modelle sein. Womit wir eigentlich auch schon direkt bei meinem Fazit wären.
Mein Fazit: mit der Sistem51 Irony hat Swatch seine Kollektion um eine gleichermaßen spannende wie preiswerte, vor allem aber elegante Uhr ergänzt. Die Sistem51 ist eine perfekte Zweit-, Dritt-, Viert-, Fünftuhr fürs Grobe, für den Sommer, für die Tage, an denen man einfach mal Lust auf etwas Anderes hat. Sie ist gleichzeitig aber auch ein schöner Einstieg in die Welt mechanischer Armbanduhren, zum Beispiel für den eigenen, uhrenbegeisterten Nachwuchs. Und wer weiß, vielleicht steht dann am Ende der Reise irgendwann auch wieder eine Omega, Longines, Blancpain oder Breguet.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2016
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