Manchmal kann ich einfach nicht anders. Da habe ich das Wiesergut in Saalbach-Hinterglemm noch nicht einmal richtig betreten und muss schon zu meiner Kamera greifen. Dass ich heute in einem Designhotel einchecke, das war mir bewusst. Dennoch – so etwas hätte ich mir dann doch nicht erwartet.
Es ist, als träfe Mies van der Rohe auf Ken Adams. Die Klarheit des Barcelona Pavillon, gepaart mit den typischen Materialien der frühen James Bond Architektur, das Ganze auch noch eingebettet in die herrliche Natur des Pinzgau. Das ist einfach eine unglaubliche, eine beeindruckende Kombination.
Das heutige Hotel war früher ein alter Gutshof. „Wiesern“ hieß der und stammt aus dem Jahr 1350.
Nach umfassenden Umbauten und Erweiterungen eröffnete im Dezember 2012 dann das Wiesergut. Verantwortlich für die Architektur war das Team von Gogl & Partner Architekten unter der Leitung von Monika Gogl.
Mit dem Wiesergut haben sie eines der in meinen Augen definitiv spannendsten Hotels erschaffen, die ich bisher besuchen durfte.
24 Suiten hat das Hotel. Sieben davon sind so genannte Gartensuiten. Sie liegen im gläsernen Neubau. Wer darin wohnt, oder eher, wer das Glück hat, dass zum gewünschten Termin mal eine von ihnen frei ist, der kann sich an Dingen wie einer vier Meter hohen Glasfassade, einem offenen Kamin oder einem Hot Pot auf der Terrasse erfreuen.
Die übrigen siebzehn Suiten befinden sich im alten Gutshof. Wobei ganz so alt ist der dann doch nicht, Denn aus statischen Gründen entschied man sich letztlich, das Haus doch nahezu komplett neu aufzubauen.
Die einzelnen Gebäude des Wieserguts sind durch gläserne Gänge miteinander verbunden. Die Gänge wiederum bilden die Piazza, den Mittelpunkt der Anlage, hübsch gestaltet mit vielen Blumen und einer großen Feuerschale.
Damit Gäste der Gutshof-Suiten auf ihrem Weg ins Spa nicht durch den Rezeptionsbereich müssen, gibt es unter dem urigen Obstgarten einen eigenen kleinen Tunnel, der die beiden Gebäude verbindet.
Das klingt jetzt weniger spektakulär, als es ist. Denn der unterirdische Gang mit seinen Düften und dem Kerzenschein wirkt fast schon mystisch.
Glas, Granit, Naturstein und viel Sichtbeton, das sind die prägenden Materialien im gesamten Wiesergut. Eichen- und Walnussholz, sowie geschmiedetes Eisen sorgen für schöne Kontraste, die Wärme bringen Leinen- und Lodenstoffe, sowie die gegerbten Leder der Innenausstattung.
Materialien, die sich selbstredend auch in den Suiten wiederfinden. Denn die pure Einfachheit, das Konzept, das Gogl & Partner Architekten beim Wiesergut im Sinn hatten, ist auch hier perfekt umgesetzt. Keine Bilder, die von den kalkweißen Wänden ablenken könnten, nur Holz, Glas, Textilien und Stein.
Die Gutshof-Suiten sind zwischen 35 und 45 Quadratmetern groß und damit ein wenig kleiner als die gläsernen Garten-Suiten. Meine Suite, Nummer 101, ist eine Ecksuite. Durch die spezielle Lage wird der Raum gleich von zwei Seiten vom Licht geradezu durchflutet.
Die puristische Einrichtung und der Aufbau der Suite sind äußerst durchdacht. Highlights sind neben dem riesigen Bett ein begehbarer Kleiderschrank von immenser Größe, sowie das großzügige Bad mit wunderschönem Doppel-Waschbecken und Blick auf den kleinen Eckbalkon.
Einziger kleiner Kritikpunkt: als gemütliche Sitzgelegenheit steht nur eine Doppelcouch zur Verfügung. Mir persönlich ist das etwas zu wenig und auch der Schemel am Schreibtisch ist bei etwas längerem Sitzen recht unbequem.
Dafür aber gibt es in den sehr großzügig gestalteten öffentlichen Räume gleich jede Menge bequemer Sitzgelegenheiten. So etwa im Rezeptionsbereich, im Restaurant oder rund um die Bar.
Die Designer, unter ihnen Finn Juhl/Moller, Arne Jakobsen und Isabel Hamm, haben es geschafft, eine ganz besondere Mischung aus Tradition und Moderne ins Wiesergut zu bringen. Isabell Hamm etwa durch ihre shade und cloud Leuchten, die gleich an mehreren Stellen zu finden sind
Die Möbel selbst wurden eigens für das Wiesergut von regionalen Herstellern angefertigt. Erdverbundene Farben wie Grau, Beige und Braun dominieren.
Auf Regionalität setzt man aber nicht nur in Sachen Möbel. Auch was die Kulinarik angeht legt man Wert auf dieses Thema.
Denn Josef Kröll, Inhaber des Wieserguts, ist auch Landwirt. Milch und Eier kommen ebenso aus eigener Erzeugung wie der Speck oder das Fleisch vom Pinzgauer Rind und vom Milchkalb. Auch das Obst stammt aus eigenem Anbau, die Marmeladen: hausgemacht.
Und spätestens, wenn man am Nachmittag auf dem Balkon sitzt und den Köchen zuschaut, wie sie im eigenen Gemüse- und Kräutergarten die Zutaten für das Abendessen pflücken, ja dann werden so derart überstrapazierte Begriffe wie ‚regional‘ und ’nachhaltig‘ auf einmal selbst für den unsensibelsten Großstädter wirklich hautnah erlebbar.
Was nicht selbst produziert werden kann, wird von Höfen aus der direkten Umgebung zugekauft. Ganz saisonal gibt sich entsprechend die Speisekarte.
Serviert werden die äußerst kreativ interpretierten Gerichte auf handgemachten Wiesergut Keramiken von Petra Lindenbauer. Jeder Teller, jede Schüssel ist hier ein Unikat. Allein das ist schon ein kleines Erlebnis.
Bei den Weinen setzt das Wiesergut ebenfalls auf heimische Erzeugnisse. Die Karte beinhaltet so ziemlich alles, was in Österreich Rang und Namen hat. Besonders schön, dass nahezu alle Weine auch glasweise erhältlich sind. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Ebenfalls nicht selbstverständlich, gerade für einen dann doch eher kleinen Betrieb, ist die Kompetenz des Personals. Beispielhaft auch die Freundlichkeit, sowohl im Restaurant, als auch an der Bar und allem voran am Empfang.
Das Frühstück wird im Wiesergut nicht als Buffet angeboten sondern direkt am Tisch serviert. Nach den Eierspeisen folgt eine Etagere mit allerlei Köstlichkeiten. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass hier alles ganz anders schmeckt als sonst. Besser. Frischer. Aromatischer. Gesünder.
Im Anschluss finden dann noch der Käsewagen, sowie eine Auswahl von Müslis und Smoothies ihren Weg zum Tisch. Wirklich alles Dargebotene zu verspeisen – absolut aussichtslos. Schade eigentlich, ist es doch so verdammt lecker.
Dazu gibt es nämlich noch jede Menge frischer Backwaren, unter anderem das noch immer nach seinem Ursprungsrezept hergestellte Wiesernbrot, welches im Holzbackofen direkt an der Piazza gebacken wird.
So gestärkt ist es an der Zeit, einmal die Umgebung zu erkunden. Im Winter warten rund 200 Kilometer bestens präparierte Pisten auf die Skifans, jetzt im Sommer sind es gut 400 Kilometer Wanderwege und Radstrecken verschiedenster Schwierigkeitsstufen.
Direkt neben dem Hotel bringt die Zwölferkogelbahn Gäste Sommers wie Winters auf knapp 2.000 Meter Höhe. Von der Bergstation, oder auch bereits von der Mittelstation, starten die Pisten und Wege ins Tal.
Wer will, der genießt aber auch einfach nur das großartige Panorama von ganz oben und nutzt die Seilbahn auch wieder zum Abstieg. Für welche Schwierigkeitsstufe auch immer man sich entscheidet, die Zwölferkogelbahn sollte man besucht haben.
Zum Ortskern Hinterglemms sind es vom Wiesergut etwa 900 Meter. Von dort aus gelangt man, ebenfalls per Seilbahn, zum Reiterkogel. Auch das ein äußerst lohnenswerter Ausflug. Denn dort, auf 1.500 Metern Höhe, liegt die Wieseralm.
Die gemütliche Almhütte gehört ebenfalls zum Wiesergut. Nach einer kleinen (oder auch etwas größeren) Wanderung hier einkehren – herrlich.
Aktivität jeder Art ist ja auch immer ein wenig anstrengend. Und so führt, wieder zurück im Wiesergut, der erste Weg direkt ins Spa. Bei der überschaubaren Anzahl an Zimmern herrscht auch hier im Wellness-Bereich eine äußerst entspannte und entspannende Ruhe.
Highlight im Erdgeschoss ist der große Edelstahl-Pool, auch hier wieder eingebettet in ein äußerst cool designtes Ambiente. Ein Stockwerk höher befinden sich Sauna und Dampfbad. Die Sauna ist wunderbar urig gestaltet und hat ein großes Panoramafenster. Für meinen Geschmack könnte die Temperatur aber ein wenig höher sein.
Entspannen kann man nach dem Saunagang im Panorama-Ruheraum oder dem wunderschönen Kaminzimmer. Und wer ganz für sich sein will, der mietet das auf dem Dach gelegene „Private Spa“, ebenfalls mit Kamin und einer Badewanne im Freien.
Eingangsbereich des Hotels
Für sich sein – auch das passt ins Konzept. Denn Martina und Josef Kröll ist es wichtig, dass die Gäste in ihrem Wiesergut das Gefühl haben, nach Hause zu kommen. In der Tat fragt man sich bei der angenehm familiären Atmosphäre, die speziell am Abend herrscht wirklich, ob man hier überhaupt in einem Hotel ist.
Da sitzen die Inhaber gemeinsam mit ihren Gästen an der Bar, erzählen von der Geschichte des Gutshofs, der Wieseralm, Hinterglemms. Das alles wirkt so unglaublich vertraut, so wunderbar angenehm. Kein Wunder, dass man da immer wieder gerne in „sein“ Wiesergut zurückkehren möchte. Mich zukünftig definitiv eingeschlossen.
Mein Fazit: wer auf ausgezeichnete Architektur steht, für den ist ein Besuch im Wiesergut ein Muss. Doch auch die familiäre Atmosphäre und die Freundlichkeit, die überall zu spüren ist, machen einen Urlaub hier zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ebenfalls beeindruckend: der natürliche Geschmack der verarbeiteten regionalen Produkte. Da werden Kindheitserinnerungen wach. Einfach schön.
Das Wiesergut ist im Sommer wie im Winter geöffnet. Die Preise im Winter 2015 / 2016 liegen bei 170 Euro für die 35 qm bzw. 195 Euro für die 45 qm Gutshof Suite und 265 Euro für die 55 qm Garten Suite. Die Preise gelten pro Person und Nacht und beinhalten das Wiesergut Frühstück. Beim „Herbstglück“ Angebot gibt es ab September 2015 vier Nächte zum Preis von dreien.
Mehr Informationen und weitere Angebote unter wiesergut.com.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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