Mit äußerst gemischten Gefühlen reiste ich diese Woche nach München. Zur Freude, zu den ersten zu gehören, die die Jubiläumsmodelle der Audemars Piguet Royal Oak in Händen halten können, ja mehr noch nach fast drei Jahren überhaupt wieder Uhren der Manufaktur aus Le Brassus fotografieren zu können, gesellte sich Skepsis. Und Wehmut.

50 Jahre Royal Oak: Skepsis und Wehmut

Skepsis, da es immer mit einem gewissen Risiko behaftet ist, etwas, das eigentlich bereits perfekt ist, zu ändern. Bestes Beispiel hierfür ist für mich die große Dreizeiger Royal Oak. Begeisterten mich die Referenzen 15300 und 15400 nachhaltig, erkaltete meine Liebe bei Einführung der 15500 augenblicklich. Die Veränderung von Kleinigkeiten, Nuancen kann auf das Gesamtbild des Urdesigns von Gerald Genta verheerende Wirkung haben.

Wehmut in jedem Fall, da das Modell, welches ich seit fast einem Jahrzehnt am meisten begehrte, nicht mehr existieren würde. Dass die „Jumbo“, das Modell, welches auch heute noch am nächsten am Design von 1972 liegt, einen Nachfolger erhalten würde, war zwar klar, ebenso klar jedoch, dass dieser mit einem vollkommen neuen Werk ausgestattet sein würde. Das ikonische, wunderschöne, allerdings auch etwas kapriziöse Kaliber 2121, beim Erscheinen das dünnste Automatikkaliber mit Vollrotor überhaupt, ist Vergangenheit.

Dezente Erneuerung der Royal Oak Kollektion

Doch was würde sich sonst noch so ändern, an der „Jumbo“? Und welche Modelle sehen wir noch zum Jubiläum? Als das Vorlagetablett mit den Neuheiten hereingetragen wird, senkt sich mein Blutdruck langsam wieder und ein Lächeln bahnt sich seinen Weg unter meiner FFP2 Maske.

Das, was hier vorliegt ist keine Sensation, keine Shitstorm verursachende Vergewaltigung Gentas Erbe. Das hier ist die logische Fortsetzung der letzten 50 Jahre. Vor mir liegen neue 41 Millimeter Chronographen in Roségold und Edelstahl, ausgestattet mit dem hauseigenen Kaliber 4401, sowie neue Royal Oak Dreizeiger Modelle in 37 Millimetern.

Alle wirken sofort vertraut, strahlen eine perfekte Harmonie aus, all meine Befürchtungen somit unbegründet. Alles gut.

16202 – die neue Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“

Und dann ist da noch sie. Die einzig Wahre. Die Echte. Das Original. Die Audemars Piguet Royal Oak “Jumbo”, Jahrgang 2022. Aus Referenz 15202 werde Referenz 16202, doch auf den ersten Blick gibt es erfreulicherweise keinen Unterschied.

Das Gehäuse misst weiterhin 39 Millimeter im Durchmesser, die Bauhöhe beträgt nach wie vor 8,1 Millimeter und – leider – hat man auch in Sachen Druckbeständigkeit das Rad nicht neu erfunden. Auf 50 Meter ist die Wasserdichtigkeit angegeben. Verpasste Chance. Schade.

Entsprechend ist auch die Krone weiterhin unverschraubt, rastet beim Ziehen aber in zwei Positionen statt wie die fünf Jahrzehnte vorher in nur einer. Ja, die Jumbo hat jetzt eine Datums-Schnellverstellung. Tatsächlich. Willkommen im neuen Jahrtausend! Nicht die einzige Verbesserung, mit der das neue Kaliber 7121 aufwarten kann.

Nur äußerst zaghaft wage ich mich, die Uhr umzudrehen. Was mich wohl unter dem Glasboden erwartet? Vielleicht doch noch eine Modifikation des alten, geliebten Jaeger-LeCoultre 920?

Nein, sagt AP. Eine komplette Neuentwicklung. Mit 4 Hz statt bisher 2,5 HZ, sprich 28.800 statt 19.800 Halbschwingungen und mit einer Gangreserve von 55 Stunden. Der bisherigen Jumbo ging die Luft diesbezüglich ja bereits nach rund 40 Stunden aus.

Die Daten sprechen klar für das neue Kaliber. Doch was ist mit der Optik? Als Erstes fällt natürlich die spezielle „50 Years“ Schwungmasse auf. Diese ziert die gesamte Jubiläums-Kollektion der Royal Oak Reihe (mit Ausnahme der Modelle mit ewigem Kalender) und wird ausschließlich 2022 ganz exklusiv erhältlich sein.

Ansonsten kommt das 7121 sehr klar, sehr clean rüber. Die runde Schiene, an der beim Vorgänger die Schwungmasse entlangglitt, ist verschwunden. Stattdessen schwebt das Gewicht des kugelgelagerten Rotors nun über einer Art Graben, was enorme Bauhöhe spart.

Dennoch: zumindest was die Bauhöhe betrifft, kommt der Neuling an das 2121 nicht ganz heran. Mit definitiv sensationellen 3,2 Millimetern baut es 0,15 Millimeter höher, als der Vorgänger. Und doch hat man es in der fünfjährigen Entwicklungszeit geschafft, dass sich das 7121 so in die Jumbo schmiegt, dass die Ausmaße des Gehäuses exakt gleich bleiben.

Die 16202 erscheint zum Start gleich in vier Varianten.  Die 16202ST.OO.1240ST.01 verbindet ein Gehäuse aus Edelstahl mit einem Petite Tapisserie Blatt in „Night Blue, Cloud 50“.

Jene Zifferblattfarbe stammt ursprünglich vom in Genf ansässigen Zifferblatthersteller Stern Frères. Einst wurden die Zifferblätter einzeln galvanischen Bädern unterzogen, um jenen speziellen Farbton zu erzielen. Eine anschließend aufgetragene dünne Schicht Schutzlack wurde mit einigen Tropfen schwarzer Farbe der Nummer 50 versetzt und sorgte für einen nebligen Effekt, der im Französischen als „Nuage“ (Wolke) bezeichnet wird. Heute jedoch wird „Night Blue, Cloud 50“ anders hergestellt. Durch ein PVD-Verfahren stellt man dabei sicher, dass das Farbergebnis über die gesamte Kollektion homogen bleibt.

Zum ikonischen Stahlmodell gesellen sich zwei Goldversionen. Die 16202OR.OO.1240OR.01 kann mit ihrem rauchgrauen Blatt überzeugen, dass perfekt mit dem Roségold-Gehäuse harmoniert, die 16202BA.OO.1240BA.01 kombiniert ihr Gehäuse aus 18kt Gelbgold mit einem rauchig gelbgoldfarbenen Verlaufsblatt.

Überraschend hat auch die im vergangenen Jahr vorgestellte Platinversion einen Nachfolger bekommen. Bei der 16202PT.OO.1240PT.01 finden wir denn auch jenes rauchig-grüne Zifferblatt wieder, welches statt des Petite Tapisserie Motivs mit einer glatten Oberfläche im Sonnenschliff aufwartet.

Erfreulich: die Preise der 16202 Modelle entsprechen denen der (gerade erst erhöhten) Preise der 15202 Kollektion. So wird die 16202ST für 31.800 Euro, die 16202OR, sowie die 16202BA für 67.700 Euro und die 16202PT für 109.500 Euro geführt.

Die Royal Oak „Jumbo“ als Openworked

Auch wird es zur „Jumbo“ zwei Versionen aus der „openworked“ Reihe geben. Die Referenz 16204 gibt es wahlweise in Stahl oder in Roségold. Das fein skelettierte Kaliber hört in dem Fall auf den Namen 7124, baut mit 2,7 Millimetern noch einmal einen ganzen halben Millimetern niedriger und wartet mit einer Gangreserve von sogar 57 Stunden auf. Für die 16204ST ruft Audemars Piguet 86.800 Euro, für die 16204OR 113.300 Euro auf.

Ebenfalls skelettiert ist das Werk der 26735ST.OO.1320ST.01, einem fliegenden Tourbillon im 41 Millimeter Gehäuse aus – Edelstahl! Das verbaute Kaliber 2972 kommt auf eine Gangreserve von 65 Stunden bei einer Frequenz von 3 Hz, also 21.600 Halbschwingungen pro Stunde. Wie bei den übrigen Modellen, ist auch hier der Rotor im 50 Jahre Design gehalten und farblich passend rhodiumfarben gehalten. Der Preis liegt bei 218.200 Euro.

41 Millimeter Tourbillon Modelle

Drei weitere 41 Millimeter Tourbillon Modelle zeigt AP mit der 26730, die wahlweise als 26730ST.OO.1320ST.01 in Stahl für 169.000 Euro, als 26730TI.OO.1320TI.01 in Titan für 175.200 Euro oder als 26730OR.OO.1320OR.01 in Roségold für 192.400 Euro erhältlich sind. Alle drei Modelle verfügen über ein rauchig blaues Zifferblatt, doch während man bei Stahl und Roségold auf das Grande Tapisserie Motiv zurückgreift, ist jenes des Titanmodells sandgestrahlt.

Doch zurück zu dem Teil der Kollektion, der in München zum Pre-Launch zu sehen ist. Neu in der Kollektion ist der 41 Millimeter große Chronograph, der auf das Manufakturkaliber 4401 setzt, sowie dessen (nicht gezeigtes) 38 Millimeter Pendant mit Kaliber 2385 und neue 37 Millimeter Dreizeiger Uhren mit Datum und Kaliber 5900.

Drei neue Royal Oak Volumenmodelle

Alle drei Serien, die zum Start auf insgesamt ganze 28 unterschiedliche Referenzen kommen, ist eines gemein: Audemars Piguet hat leichte Veränderungen im Gehäusedesign vorgenommen. So wurden zum Beispiel die sichtbaren Schrägen oberhalb und unterhalb des Gehäuses verbreitert und der Saphirglasboden ein wenig mehr in das Mittelteil des Gehäuses eingebunden, damit die Uhr enger am Arm getragen werden kann und besser sitzt.

Laut AP hat man die ersten Glieder der Armbänder darüber hinaus zu beiden Seiten in das Mittelteil des Gehäuses integriert und nunmehr trapezförmig gestaltet. Dadurch soll die Linienführung am Bandanstoß verfeinert werden. Ebenfalls wurden alle Glieder der Armbänder nun auch bei den Referenzen aus Titan und Edelstahl verschlankt. Bei Goldmodellen war dies bereits zuvor zu finden.

Bereits von der Code 11:59 bekannt ist der aus 24kt Gold gefertigte Audemars Piguet Schriftzug, der in einem speziellen Galvanisierungsverfahren ähnlich eines 3D-Drucks entsteht.

Die Dreizeiger Modelle in 37 Millimetern hören auf die Referenz 15550, erhalten die Minuterie jetzt direkt auf das Zifferblatt gedruckt und schlagen dank des erstmals eingesetzten Kalibers 5900 nun mit 4 Hz statt vormals 3 Hz. Gestiegen ist ebenfalls die Gangreserve, sie beträgt nun 60 Stunden. Für die 15550ST, die es mit grauem, hellblauem, versilbertem und mit „Night Blue, Cloud 50“ Zifferblatt gibt, sind 23.100 Euro zu zahlen, die Bicolor-Variante liegt bei 28.400 Euro. Modelle mit Diamantlünette sind für 31.800 Euro (Edelstahl) bzw. 57.900 Euro (Roségold) zu bekommen.

Der 38 Millimeter Chronograph 26715 liegt in Stahl bei 31.900 Euro, die Roségold-Variante gibt es für 62.000 Euro. Auch hier gibt es Varianten mit Diamantlünette (39.500 bzw. 68.800 Euro). Die Preise für den neuen 41 Millimeter Chronographen 26240 beginnen bei 32.500 Euro für Stahl (Schwarzes, Versilbertes, Khakifarbenes oder „Night Blue, Cloud 50“ Zifferblatt) und 69.400 Euro in Roségold (am Lederband 48.100 Euro). Eine „Iced Out“ Version in Roségold schlägt mit 178.000 Euro zu Buche.

Fazit

Mein Fazit: „More to come” heißt es in Le Brassus hinsichtlich des Jubiläumsjahres 50 Years Royal Oak. Das bislang Gezeigte jedenfalls kann sich sehen lassen. Audemars Piguet ehrt seine Ikone mit einer Kollektion an ästhetisch wohl proportionierten Modellen und technischen Neuerungen. Dass dabei das eigentliche Herz der Ur-„Jumbo“ auf der Strecke bleibt ist traurig, aber nachvollziehbar.

Größte Überraschung für mich: die kleine 37 Millimeter Royal Oak. Sie wirkt erstaunlich präsent am Handgelenk und überzeugt mit spannenden Blattfarben. Auf das schicke, khakifarbene Blatt muss man bei ihr allerdings erst einmal verzichten. Mit diesen Neuheiten ist AP jedenfalls ein perfekter Start gelungen. Es bleibt spannend, was das Jahr noch so zu bieten hat in Bezug auf die Royal Oak.

Weitere Infos

Die Website von Audemars Piguet findet sich unter https://www.audemarspiguet.com/com/de/home.html

Das Video-Review

https://youtu.be/_V-XK5Y_nx4

Hinweis zur Transparenz

Die Möglichkeit zur Besichtigung der Neuheiten erfolgte auf Einladung von Audemars Piguet. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand nicht statt.

Fotos: © AP (5), PCS (26) 2022

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