Es gibt Auto-Marken, die habe ich immer auf dem „Schirm“. Was sich bei Porsche so tut, wann der neue Mercedes GT vorgestellt wird, Lamborghini, Maserati, diese Autos drehen in meinem Kopf permanent ihre Runden. Aber Alfa Romeo? Über Neuheiten von Alfa weiß ich – ja eigentlich nichts.
Erstkontakt mit dem Alfa 4C – IAA 2013.
Sicher hat Alfa einen der Messestände, an denen ich auf der alle zwei Jahre stattfindenden IAA in Frankfurt am längsten innehalte, das hat aber mehr mit den dort präsentierten Geschöpfen auf zwei Beinen statt jener mit vier Rädern zu tun.
Vergangenes Jahr im September allerdings war das anders. Während ich auf die beginnende Pressekonferenz des Hauses Ferrari wartete (genauso wie Luca die Montezemolo, obgleich er mir etwas ungeduldiger schien als ich), ließ ich meinen Blick über den Stand von Alfa Romeo schweifen und entdeckte dort ein Fahrzeug, welches so scharf war, dass ich die es präsentierende Dame am liebsten gebeten hätte, kurz aus dem Bild zu gehen. Was war das denn?
Schon damals faszinierend: die Kurven. – „Entschuldigung, aber könnten Sie vielleicht mal ein Stück zur Seite gehen?“
Nach dem Anblick des 4C benannten Zweisitzers konnte mir selbst Lucas Präsentation des Ferrari 458 Speciale nur noch ein müdes „ganz nett“ abringen. Verdammt, was ist denn jetzt mit Alfa los?
Ziemlich genau ein Jahr später steht eben jener Alfa Romeo 4C bei mir auf dem Hof. Mein erster Gedanke: der ist kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Viel kleiner. Der ist – winzig.
Tatsächlich. Der 4C hat eine Gesamtlänge von 3,99 Metern, ist 1,86 Meter breit und vor allem gerade einmal 1,18 Meter hoch. Bzw. niedrig.
Für Golf-Bags wohl nur bedingt geeignet.
Der freundliche Test Cars Coordinator von Alfa Romeo begrüßt mich, reicht mir die Schlüssel und versorgt mich mit den wichtigsten Details zum Fahrzeug. Ja, ich gebe zu, ich bin schlecht vorbereitet an diesem Tag. Ich weiß eigentlich gar nichts über das Auto. Siehe oben halt. Ist mir unangenehm, scheint aber nicht weiter schlimm zu sein.
Details: der Alfa 4C ist ein zweisitziger Mittelsportwagen mit Heckantrieb, der von einem Reihenvierzylinder mit Turbolader und 1.750 ccm Hubraum befeuert wird. Dieser bringt es auf 240 PS. Hmmmm. Ein paar Tage vorher war ich noch im Lamborghini Huracán unterwegs. Mit 610 PS. 240 PS? Schade. Es hätte so schön sein können.
Mittelmotor und Monocoque.
Meine Enttäuschung scheint man mir anzumerken. „Der wiegt aber auch nix!“ Höre ich. Aha, jetzt wird’s interessant. 895 Kilogramm Leergewicht, das macht ein Leistungsgewicht von 3,73 kg/PS, was den „Kleinen“ in Sphären irgendwo zwischen Bentley Continental GT Speed, Mercedes SL 63 AMG und Porsche 911 Carrera S Cabriolet räubern lässt. Zumindest auf dem Papier. Cool. Sehr cool.
Also doch mal etwas genauer hinschauen und etwas Erstaunliches feststellen. Die Kompromisslosigkeit dieses Fahrzeugs nämlich.
Alfa Romeo stand bei diesem Auto vor einer simplen Entscheidung. Entweder ein großes, leistungsstarkes, teures und spritschluckendes Aggregat einbauen, oder aber Gewicht reduzieren. Man entschied sich für letzteres, auch und vor allem um den Preis des Autos möglichst niedrig zu halten.
Schon beim Öffnen der Türen begrüßt einen Carbon. Nein, ich meine jetzt nicht die inzwischen fast überall vorzufindenden Zierleisten. Dieses Ding hier besteht aus Carbon! Alfa hat dem 4C ein richtiges Kohlefaser-Monocoque spendiert. Dieses wiegt gerade einmal 65 Kilogramm! Drum herum sorgen Aluminium und Faser-Kunststoff Verbundwerkstoffe für weitere – nicht vorhandene – Kilos.
Im Monocoque warten zwei Sitze. Schalensitze aus Verbundmaterial die, trotz schönen Bezuges aus Leder und Velours (oder eher Mikrofaser) alles andere als bequem aussehen.
Einsteigen. Umschauen. Gar nicht so einfach. Der Einstieg über den breiten Schweller will gelernt sein, gelingt mir aber wesentlich besser als noch kürzlich beim Porsche 918 Spyder. Der Fahrersitz lässt sich verstellen, beim Beifahrersitz wurde auf dieses Komfortmerkmal verzichtet. Kostet ja Gewicht, so eine Schienenkonstruktion.
Die Türgriffe? Lederschlaufen. Verkleidungen? Nur da, wo es unbedingt nötig ist. Ansonsten blickt man auf die nackte Kohlefaser, auf der auch die Fußmatten direkt befestigt sind.
Der Armaturenträger – Hartplastik. Nichts ist aufgeschäumt oder ähnliches. Das wirkt ein wenig billig, passt aber andererseits zum Leichtbau-Konzept. Oder rede ich mir das grad nur schön? Letztlich egal. Im Fußraum wartet dafür eine schöne, stehende Aluminium-Pedalerie bzw. für den Beifahrer eine ebensolche Fußstütze. Dazwischen: Leere. Luft. Ein paar herabhängende Kabel. Kompromisslos eben und dadurch auch irgendwie extrem faszinierend.
Im Cockpit ersetzt ein hochauflösender Monitor die Instrumente, je nach D.N.A. Fahrmodus (Dynamic, Natural, All Weather, im 4C noch ergänzt um einen Race Mode und einstellbar über die silberne Wippe in der Mittelkonsole) ändert sich das Farbschema.
Das Lenkrad ist griffig und unten abgeflacht. Dahinter befinden sich die (mitdrehenden) Schaltpaddels. Das Doppelkupplungs-Getriebe Alfa Romeo TCT ist serienmäßig verbaut und hält auch eine Launch Control Funktion für schnellstmögliche Beschleunigung parat.
Hier auf dem Hof eher nicht zu empfehlen, denn damit liegen nach nur 4,5 Sekunden bereits Tempo 100 an. Besser: Auto starten und den Knopf mit der 1 drücken.
Himmel! Der Sound! Böse. Kernig. Kräftig. Dank verbautem Sportauspuff wirklich mächtig. Dieser Sound aus einem 1,8 Liter 4-Zylinder ist in der Tat eine Überraschung.
Es ist nicht die Einzige. Die nächste folgt umgehend: der 4C hat keine Servolenkung! Aus Gewichtsgründen. Klar. Andere gewichtserhöhende Ausstattungsmerkmale wie eine Klimaanlage, beheizbare Außenspiegel oder eine Radioanlage mit Internet-Zugang, Sprachsteuerung und Freisprechanlage gibt es. Nur auf Wunsch allerdings, dafür aber ohne Aufpreis.
Mein Testwagen hat diese verbaut, zusätzlich befinden sich noch eine Bose Anlage, eine Tasche für den Innenraum, Getränkehalter, sowie Rückfahrsensoren an Bord.
Ebenfalls verfügt er über das Sport Paket mit eben jener Sportabgasanlage und einem Sportfahrwerk mit größeren Rädern (vorne 18″, hinten 19″), sowie über Bi-LED Scheinwerfer mit Carbonabdeckung, schwarz lackierte Bremssättel und die ziemlich geniale Mehrschichtlackierung Rosso Competizione, neben Rot, Weiß, Schwarz und Grau eine von fünf erhältlichen Lackierungen.
Rosso Competizione soll nicht nur an die traditionelle Rennsport-Farbe von Alfa Romeo erinnern und die Konturen, Sicken und Wölbungen des 4C besonders gut betonen, Rosso Competizione passt auch ganz hervorragend zur Markise des herrschaftlichen Schlosshotel Kronberg, unserer heutigen Foto-Location.
Schon auf dem Parkplatz vor dem Hotel dauert es keine zwei Minuten und der 4C ist umringt von einer Menschentraube. Kein Wunder, denn bisher wurden gerade einmal um die 70 Fahrzeuge in Deutschland zugelassen.
Maximal 3.500 Fahrzeuge können pro Jahr produziert werden, 1.000 davon sind für den Europäischen Markt gedacht. Der Flaschenhals der Produktionsmenge ist das Monocoque. Dieses wird im so genannten Pre-Preg Verfahren gefertigt und bei hoher Temperatur, hohem Druck und Vakuum-Bedingungen in einem Autoklaven gebacken. Die Kapazitäten hier sind begrenzt.
Die Monocoques gehen anschließend auf die Reise nach Modena zur Fabrik von Maserati. Genau. Maserati! Hier wird der Alfa Romeo 4C nämlich in einer eigenen Produktionslinie gefertigt.
Der 4C ist eine echte Ausnahmeerscheinung. Überall drehen sich Passanten um, zieht er alle Aufmerksamkeit auf sich. Und auch im Schlosshotel Kronberg ist man begeistert. So wird uns erlaubt, für unsere Fotos bis zur Rotunde zwischen Golfplatz und Schloss zu fahren.
Rot und rot. Perfekt.
Eine kleine Herausforderung, denn im 4C hat man das Gefühl, wirklich direkt auf dem Asphalt zu sitzen. Entsprechend unüberwindbar scheinen im ersten Augenblick Unebenheiten und hervorstehende Kanaldeckel. Doch der kleine Flitzer ist letztlich doch alltagstauglicher als gedacht.
Auch die Schalensitze erweisen sich entgegen meiner ersten Befürchtungen als recht bequem, wie das gesamte Cockpit für einen so kompakten Sportwagen relativ geräumig ist. Einzig im Fußraum des Beifahrers stört die hineinragende Konsole der Klimaanlage ein wenig. Andererseits gibt sie jenem Co-Piloten in schnellen Kurven etwas zusätzlichen Halt. Form follows function oder wie war das?
Gilt auch für den Kofferraum. Dieser befindet sich hinter dem Mittelmotor und ich möchte ihn an dieser Stelle lieber als Gepäckfach bezeichnen. Ein Weekender passt locker rein, mit etwas Geschick vielleicht auch noch ein Zweiter. Das war es dann aber auch schon. Zweiter Kofferraum vorne vielleicht? Nö. Die Service-Haube ist mit Schrauben fixiert. Die geht nicht auf. Für einen Wochenendausflug sollte es dennoch knapp reichen.
Nach dem Photoshooting ist noch einmal etwas Zeit zum fahren. Ein Glück. Denn obgleich man sich von Außen nicht an den Formen des 4C satt sehen kann, den Fahrspaß, der einen innen erwartet, auf den mag man keinesfalls verzichten.
Der 4C liegt, wer hätte anderes erwartet, wie ein Brett auf der Straße. Auch dass die Beschleunigung nicht von schlechten Eltern ist kann man beim oben bereits besprochenen Leistungsgewicht erahnen. Wie man mit ihm aber durch die Kurven räubern kann, das übersteigt auch meine Vorstellungskraft. Einzig die Anwesenheit meines Begleiters hält mich dann doch davon ab, den Race Mode einzulegen und noch ein bisschen mehr herauszukitzeln.
Dieser Alfa ist vielleicht nicht das idealste Auto für schnelle Autobahnfahrten, hier gibt sich die Lenkung etwas ungewohnt, auf Landstraßen allerdings ist er voll in seinem Element. Ich könnte mir in dieser Situation zumindest kein Auto vorstellen, welches mir hier und jetzt mehr Spaß machen würde. Verdammt, dieses Teil ist einfach unglaublich! Unglaublich!!!
Dass soviel Spaß seinen Preis hat, ist klar. Aber was dürfte so ein Renner in etwa kosten, frage ich mich selbst, wieder im heimischen Hof angekommen. 80.000? 100.000? Wär‘ zwar schon ein bisschen viel, in Anbetracht der Herstellungsweise und des Spaßes jedoch keineswegs unverschämt.
Überrollbügel und Außenhaut. Unlackiert. Nur kein Gramm Gewicht verschwenden.
Aber, um es mal in guter alter Teleshopping-Manier zu sagen, dieser Wagen kostet keine 100.000 Euro, keine 90.000 Euro und auch keine 80.000 Euro. Er kostet nicht einmal 70.000 Euro und auch nicht 60.000 Euro. Dieses ultimative Spaßmobil kostet 50.500 Euro. Ja, Sie haben richtig gehört! 50.500 Euro!
Ernsthaft, 50.500 Euro, oder auch 61.130 Euro, wie der von mir getestete, gut ausgestattete 4C, sind für diesen Materialmix, diesen Sound, diese Kraft, diese Exklusivität und – noch einmal – diesen Fahrspaß, ein Schnäppchen.
Einziger Wermutstropfen: wohl auf Grund der dem Kohlefaser-Monocoque geschuldeten hohen Reparaturkosten im Falle eines (Un-)Falles, liegt die Versicherungseinstufung des 4C, speziell in der Vollkasko mit Typklasse 31 recht hoch.
Einziger Wermutstropfen? Nicht ganz. Es gibt noch einen. Die Lieferzeit nämlich. Die beträgt bereits jetzt ca. 24 Monate.
Verbrauch? Oh sorry. Da habe ich jetzt gar nicht drauf geachtet. 6,8 Liter kombiniert, heißt es.
Mein Fazit: der Alfa Romeo 4C ist ein maximales Spaßauto zum denkbar fairsten Preis. Mehr gibt’s da eigentlich auch gar nicht zu sagen. Kaufen und Spaß haben! Viel Spaß!
Mein Dank geht an die Fiat Group Deutschland für das zu Verfügung stellen des Testwagens und an das Schlosshotel Kronberg für die wunderschöne Foto-Location.
Mehr Informationen zum Alfa Romeo 4C gibt es auf der Website von Alfa Romeo.
Sie wollen noch mehr Bilder? Dann schauen Sie in unsere Fotostrecke „Generationen – Alfa 4C vs. Montreal“ –>
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014
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