Es gibt da so ein paar unumstößliche Weisheiten. Die Sonne geht im Osten auf, nach der Ebbe kommt die Flut, die Erde ist eine Scheibe Kugel und eine Rolex hat ein Metallarmband. Entweder Oyster, Jubilé oder Präsident. Das ist so. Gut, Modelle am Lederband gibt es vereinzelt auch. Traditionsbedingt, klar.
Eine Rolex aber an einem Kautschukband? So richtig vom Werk aus? Eher verfinstert sich die Sonne am helllichten Tage! Und siehe da, genau das passierte am vergangenen Freitag gegen 10:30. Doch während draußen die halbe Menschheit mit Sonnenfinsternis-Brillen dem Himmelsschauspiel beiwohnte, saß ich in den heiligen Hallen des Rolex Messestandes und hatte eine Uhr mit einem neuartigen Elastomerband am Arm. Man muss sich manchmal eben entscheiden, welchem Ereignis man den Vorzug gibt und ein komplett neues Uhrenarmband von Rolex ist weitaus seltener zu sehen als eine Sonnenfinsternis. Da gibt es die nächste in Europa immerhin bereits in 11 Jahren.
Der Patentantrag der auf den Namen „Oysterflex“ hörenden Neuentwicklung machte bereits vergangenes Jahr im Internet die Runde. Doch patentieren lässt sich Rolex viel und einiges davon sieht man trotzdem nie mehr wieder. So blieb auch dieser Entwurf eher unbeachtet. Zu unwahrscheinlich schien die Serienproduktion für eine Marke wie Rolex. Kautschuk, da denkt man an Audemars Piguet, an Panerai oder meinetwegen an Hublot. Aber Rolex?
Doch! Jetzt, unter neuer Führung, ändert sich Einiges. Das war schon vergangenes Jahr mit der Präsentation der neuen D-Blue Deepsea zu sehen, die einfach so mitten im Jahr erfolgte. Es weht ein frischer Wind in Genf und da werden auch unmögliche Dinge auf einmal machbar.
Die neue Yacht-Master Everose wird direkt in zwei Größen lanciert. Als 116655 in der klassischen 40 Millimeter Herrengröße, als 268655 in neuer 37 Millimeter Unisex-Version. Was im Schaufenster des Messestandes noch für ein matt-braunes Zifferblatt gehalten werden könnte (und in dieser Farbkombination sicher auch mehr als gut gepasst hätte), entpuppt sich bei normalem Licht schnell als reines mattes Schwarz.
Unter der Beleuchtung am Messestand wirken Blatt, Lünette und Band fast braun
Das Zifferblatt ist dreifarbig bedruckt, mit goldenem Rolex Schriftzug und weißer normaler Schrift, dazu prangt die Modellbezeichnung in strahlendem Rot. Letzteres lässt das Blatt vielleicht ein bisschen zu bunt wirken, hier wäre ein ebenfalls goldener Schriftzug für mich die elegantere Wahl gewesen doch darüber ließe sich wohl streiten.
Ebenfalls Mattschwarz ist das Lünetteninlay gehalten. Wer auch hier von Kautschuk ausgeht, der irrt. Das Inlay ist aus schwarzer Cerachrom Keramik, die Ziffern hochglanzpoliert, der rest fein sandgestrahlt, eben die Optik, die man von der Yachtmaster seit mittlerweile auch schon wieder 23 Jahren kennt.
Ansonsten wartet die Uhr mit wenig Überraschendem auf. In der Herrenversion verrichtet das gute alte Kaliber 3135 mit Parachrom bleu Spirale sein Werk, wohingegen im Medium-Modell schon das im vergangenen Jahr vorgestellte Kaliber 2236 mit Syloxi Silizium-Spirale zu finden ist.
Die 37 Millimeter-Version 268655
Beide Uhren sind bis 100 Meter wasserdicht, verfügen über das Oyster-Case im typischen Yacht-Master Design, haben eine beidseitig drehbare Lünette – ja und eben jenes Oysterflex Band.
Was ist das denn nun wirklich? Es sollte klar sein, dass wenn Rolex ein Kautschukband herausbringt, es nicht einfach ein Kautschukband ist. Das wäre schließlich viel zu einfach. Das Oysterflex Band soll die Felxibilität und den Tragekomfort eines Elastomerbandes mit der Robustheit und Zuverlässigkeit der Metallbänder kombinieren. Herzstück ist eine superelastische Metallspange, die dann mit diesem Elastomer überzogen wird.
Das Oysterflex besitzt eine richtige Oysterlock Schließe mit Sicherheitsbügel, allerdings ohne die praktische Easylink Schnellverstellung. So ist eine Feinanpassung nur mit Werkzeug in den drei Positionen innerhalb der Schließe möglich. Dafür gibt es für die beiden Modelle insgesamt sechs Bandgrößen. Die Konzessionäre werden mit einem Messwerkzeug ausgestattet und sollen so schnell und zuverlässig das passende Band ordern können.
Bei Erstkauf an offizieller Stelle sollte dies schnell und problemlos funktionieren, wie unproblematisch und vor allem zu welchen Kosten eine Nachbestellung beim Gebrauchtuhrenkauf oder beim Kauf auf dem Sekundärmarkt funktionieren wird, das steht auf einem anderen Blatt. Bezüglich Ersatzteilpreisen mochte man sich in Basel nicht äußern, da die Bänder auf eine Lebensdauer von mindestens 5-6 Jahren ausgelegt seien.
Doch genug der Theorie. Wie trägt sich denn die neue Yacht-Master mit Oysterflex Band? Um es in zwei Worte zu fassen: einfach unglaublich! Schon bei der ersten Anprobe merkt man sofort, das hier hat nichts, aber auch gar nichts mit Kautschukbändern zu tun, wie man sie bisher kannte. Das Oysterflex ist tatsächlich etwas völlig anderes.
Grund hierfür sind die kleinen, etwas merkwürdig anmutenden seitlichen Polster. Diese drücken das Band von der Haut weg. Es ist dadurch kaum zu spüren, man hat nicht das Gefühl, dass die Haut unter dem Material nicht mehr richtig atmen könne, wie das bei den Bändern so gut wie aller anderen Hersteller der Fall ist. Das Oysterflex spürt man gar nicht. Die Haut bekommt genügend Luft, auch, weil das Band nicht vollständig mit dem Gehäuse abschließt sondern an den Ecken kleine Löcher lässt.
Das Band steht ein wenig vom Arm ab, sorgt für eine optimale Rundung und gleichzeitig dafür, dass die Uhr auch bei stärkeren Bewegungen immer an ihrer Position verweilt und nicht kopflastig herum schlackert. Es ist faszinierend, und zwar nicht nur für einen Rolex Fanboy, wie die Genfer etwas, was es eigentlich schon Jahrzehnte gibt, einfach noch einmal völlig neu erfinden konnten.
Das Band ist so genial, dass man nur darauf hoffen kann, dass man sich in Genf darauf besinnt, das Oysterflex bald auch als Nachrüstband für Submariner, GMT-Master & Co. anzubieten. Die Anschlüsse jedenfalls sollten für alle gängigen Oysterclasp- und Oysterlock Schließen passen.
Band der 268655
Unter den Besuchern der Baselworld waren die Reaktionen meist äußerst positiv, doch auch die Kritik, Rolex würde nun zu modern werden, mit der neuen Yacht-Master auf einen Zug aufspringen wollen, der mit einer Royal Oak Offshore oder einer Big Bang schon gut besetzt ist, wurde laut.
Die Rolex Yacht-Master 268655 im Baselworld Schaufenster
Und ja, dass 116655 und 268655 klar in diese Richtung positioniert wurden, daran wird wohl niemand ernsthaft zweifeln. Doch warum auch nicht? Der Markt für solche Uhren ist definitiv da und die Yacht-Master das perfekte Modell für einen ersten Vorstoß seitens Rolex.
Rolex Yacht-Master 268655
Natürlich kann man in den beiden Modellen auch den Untergang des Abendlandes sehen, das Ende der ehrwürdigen, besonnenen Rolex, der erste Schritt auf einem Weg hin zum Hersteller modischer und schnelllebiger Produkte. Ich persönlich denke, für eine solche Einschätzung ist es derzeit noch zu früh. Und wer weiß, vielleicht müssen wir ja bis zur Vorstellung eines weiteren neuen Bandes wieder bis zu einer Sonnenfinsternis warten. Die Nächste rund um Basel wäre dann übrigens am 3. September 2081.
Mein Fazit: well done, Rolex! Die Yacht-Master schaut in Everose Roségold verführerisch gut aus, schwarze Lünette und Kautschukband geben dem Modell einen komplett neuen Look. Highlight ist das Oysterflex-Band, welches einen bisher nicht gekannten Tragekomfort bietet und das man sich möglichst schnell auch als Nachrüstsatz für Submariner & Co. wünschen würde.
Der Preis der Yacht-Master 116655 (40mm) soll voraussichtlich 21.600 Euro betragen, die 268655 (37mm) soll für 19.000 Euro erhältlich sein. Informationen zum Zeitpunkt der Markteinführung gibt es derzeit noch nicht.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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