Der Mensch muss Ziele haben. Auf die Welt der Kreuzfahrt bezogen lautet so ein Ziel für so ziemlich jeden ernstzunehmenden Kreuzfahrer aus dem deutschsprachigen Raum, einmal mit MS Europa zu reisen.
MS Europa – seit 1999 das beste Schiff der Welt
Seit zwei Jahrzehnten am Markt, ist die aktuelle Europa, immerhin schon das sechste Schiff, welches diesen ehrenwerten Namen trägt, so etwas wie der Inbegriff von Luxus. Das beste Schiff der Welt. Für zwanzig Jahre. Das will etwas heißen.
Gut, so ganz stimmt das nicht mehr, denn seit ihr jüngeres Schwesterschiff, die Europa 2 am Markt ist (einen ausführlichen Reisebericht über diese gibt es hier), muss sich die Europa regelmäßig, zumindest was die genaue Punktzahl angeht, ganz ganz knapp geschlagen geben. Bedenkt man allerdings, dass zwischen der Indienststellung der beiden Einheiten fast 14 Jahre liegen, sind die gerade einmal 12 von 2000 Punkten Unterschied (1.852 vs. 1.864 Punkte) im altehrwürdigen Berlitz Führer eher zu vernachlässigen.
Weg mit den alten Zöpfen
Dreimal schaffte ich es bislang auf die Europa 2, eine Mitreise auf der Europa „Eins“ hingegen war mir nie vergönnt. Das hat seine Gründe. Denn wo die Europa 2 eine eher jüngere, berufstätige Klientel anspricht – und somit genau zur Zielgruppe von Luxify passt – herrscht auf der Europa noch die ganz traditionelle Kreuzfahrtwelt. Mit Captain’s Dinner, Krawattenpflicht und Smoking-Zwang.
Herrscht? Eher herrschte. Denn seit Oktober ist alles anders. Die Europa kommt frisch aus der Werft, wo ihr diesbezüglich so manch alter Zopf abgeschnitten wurde. Eine Verjüngungskur, sowohl was die Räumlichkeiten angeht, als auch die Traditionen. Grund genug, mich nun doch einmal umzuschauen.
In Neapel wartet die schöne Europäerin
Auf einem Kurztrip von Neapel nach Valetta habe ich dazu Gelegenheit. Im Hafen der drittgrößten Stadt Italiens wartet die schöne Europäerin auf mich. Strahlend weiß liegt sie da, mit ihrem charakteristischen blau-orangenen Schornstein.
An Bord geht es über die schiffseigene Gangway. Oldschool irgendwie – und ein wenig wackelig. Die Koffer hier heraufzuwuchten ist etwas mühsam, bleibt dem regulären Passagier, der nicht wie ich nur auf kurzer Stippvisite ist, aber im Regelfall erspart.
Ein kurzes Security Briefing, dann heißt es auch schon Leinen los. Auf zur Sansibar! Herbert Secklers maritimen Ableger kenne ich schon aus späterer Stunde bei Europas Beste (mehr dazu hier). Bei Rosé Champagner und ordentlich Restsee, wie der Kapitän den deutlich spürbaren Seegang bezeichnet, kommt Capri in Sicht. Jene vielzitierte rote Sonne ist allerdings schon ein paar Minuten zuvor im Meer versunken. Das macht nichts, denn traumhaft ist die Kulisse so oder so.
Viel Neues im Europa Restaurant
Zum Abendessen geht es ins neu gestaltete Europa Restaurant auf Deck 4. Die Änderungen, die im größten Speisesaal an Bord getätigt wurden, sind Sinnbild für das neue Konzept. Alles wirkt heller als zuvor, einladend, freundlich.
Die großen Tische, zu denen man einst bei fester Tischzeit mit zugeteilten Tischnachbarn speiste, sind überwiegend 2er- und 4er-Tischen gewichen. Feste Tischzeiten gibt es nicht mehr, während der Essenszeiten kann man kommen, wann man will.
400 Gäste – fünf Restaurants
Damit auch immer genügend Platz für alle Gäste vorhanden ist, hat man die Anzahl der Restaurant aufgestockt. Neben dem Hauptrestaurant Europa, dem Lido Restaurant, in welchem hauptsächlich Speisen vom Buffet angeboten werden, dem ebenfalls umgestalteten italienischen Spezialitätenrestaurant Venezia und dem Gourmetrestaurant, welches nun 3-Sterne-Koch Kevin Fehling untersteht, ist mit dem Pearls auf Deck 7 ein vollkommen neues Restaurant an der Stelle entstanden, an welcher einst der Gymnastikraum sein Dasein fristete. Pearls, das steht dabei für die Spezialität, die hier vornehmlich serviert wird: Kaviar.
Meine Wahl heute im Europa Restaurant ist ein wenig bodenständiger. Sie fällt auf Vitello Tonnato, ein Sorbet „St. Tropez“ und – das Wiener Schnitzel. Dieses ist eine echte Überraschung und kann sowohl in Optik als auch Geschmack mit seinen Kollegen aus der österreichischen Hauptstadt mithalten.
Essen auf Haubenniveau
Generell sind die Gänge allesamt auf Haubenniveau, einzig der Service kann dieses Level zumindest bei meinem Besuch hier und da noch nicht ganz halten. Das mag maßgeblich daran liegen, dass man auf Grund der Neuindienststellung gleich zweier neuer Schiffe in diesem Jahr (ein Review der Hanseatic nature gibt es hier) recht viele neue Mitarbeiter anlernen musste – und wohl immer noch muss – und sei daher verziehen.
Station auf dem Weg nach Malta macht die Europa am kommenden Tag in Syrakus. Und da Kevin Fehling auf dieser Reise höchstpersönlich mit an Bord ist, begleite ich ihn auf einen Marktbesuch. Vom Anleger des Schiffes ist es nicht weit bis zur Altstadt.
An der großen Promenade zeugen allenfalls die vielen Mooringbojen vom Treiben, das im Sommer rund um die dann dort liegenden Yachten stattfindet. Jetzt aber ist es November. Auch wenn man dies angesichts des blauen Himmels und der warmen Temperaturen hier kaum glauben mag. Die Yachten, sie sind somit schon längst weitergezogen in Richtung Karibik oder anderer Destinationen.
Ein Marktbesuch mit Kevin Fehling
In der Via Emmanuele de Benedictis beginnt der Markt. Kevin Fehling und Tillman Fischer, der Executive Chef der Europa, fallen mit ihren weißen Kochjacken auf wie der berühmte bunte Hund. Von jedem Stand aus werden sie angesprochen. Die Händler wittern ein gutes Geschäft. Doch nicht jeder kann die von den beiden Küchenprofis geforderten Mengen auch wirklich vorhalten.
Gedacht sind die Spezialitäten, gekauft werden etwa eingelegte Oliven, regionaler Käse oder auch lila Kohl, in erster Linie für die Hauptrestaurants an Bord. Denn die Gerichte in Kevin Fehlings „The Globe“ und deren Zutaten sind schon genauestens festgelegt, damit jeder Gang immer exakt genau so schmeckt, wie der Sterne-Koch es sich ausgedacht hat. Ob er nun an Bord ist – oder nicht.
Mindestens 20 Tage pro Jahr wird er in Zukunft selbst im maritimen Ableger seines mit drei der begehrten Michelin Sternen und 19 Gault&Millau Punkten ausgezeichneten „The Table“ zugegen sein. In diesen Zeiten bleibt sein Restaurant in Hamburg geschlossen.
Der 3-Stene-Koch und seine Liebe zur See
Warum ihn ein Restaurant auf einem Kreuzfahrtschiff und dann gerade die MS Europa so gereizt hat? Das hat einen recht naheliegenden Grund. Denn in den Jahren 2000, 2002 und 2003 arbeitete er selbst, zuletzt als Souschef, auf genau diesem Schiff.
Eine Zeit, die ihn geprägt hat. Und eine, die bis heute Einfluss auf seine Gerichte hat, wie er beim Rundgang erzählt. Kurz deutet der Spitzenkoch und Hobby-Astronom auf genau jene Stelle an Deck, an der er damals nachts immer die Sterne und die Milchstraße beobachtete. Jene Milchstraße, sie findet sich heute auch in seinem Restaurant an Bord wieder. Dort wird sie allabendlich an die Wand projiziert.
Zu Gast im „The Globe by Kevin Fehling“
Maximal 24 Gäste können an den acht Tischen des „The Globe by Kevin Fehling“ Abend für Abend Platz nehmen. Das Menü steht dabei immer unter einem besonderen Motto. Heute lautet dieses „Entdeckung“ und wird mit einem Japanischen Fischbrötchen, gefolgt von einem Ei „Deluxe“ mit Kaviar eröffnet.
Weiter geht es mit der Gänseleber „Pharao“, begleitet von Couscous mit Auberginen-Dattelcréme, Kumquat, Minze und eingelegter Zitrone. Das Ganze in einer wahrhaft verzaubernden Optik.
Gedämpfter Lachs und Ceviche mit schwarzem Bohnenpüree, Tamarillo-Chutney und Kurkuma Beurre blanc leiten über zur „Message in the Bottle“. Die Flaschenpost erzählt auch den Gästen, die nicht die Gelegenheit haben, Fehling persönlich an Bord zu treffen, seine Story und das Band, welches ihn mit genau diesem Schiff verbindet.
Eine kulinarische Reise, die begeistert
Der eigentliche Gang folgt in Form von Carabinero mit Panis, Gurkenrelish, Exotic-Chutney und Tandoori-Hollandaise.
Im Hauptgang wartet Challans Entenbrust, begleitet von einem Mohnküchlein mit Hagebutte, Kürbis, Orangenschaum und Estragonjus.
Kalamansi-Canache mit Sushireis, Thaicurrycrème, Tamarinde und Tom Kha Gai Eis leitet auf ungewöhnliche Art und Weise auf die Nachspeisen über, die mit dem Bienenstich-Törtchen einen großartigen Abschluss finden.
Gourmetmenü im Reisepreis inkludiert
Wie unter Vorgänger Dieter Müller, der rund zehn Jahre das zuvor nach ihm benannte Gourmet-Restaurant an Bord von MS Europa führte, ist auch das Menü im The Globe bereits im Kreuzfahrtpreis inkludiert. Die passende Weinbegleitung, bestehend aus insgesamt fünf Weinen, ist für 38 Euro pro Person zubuchbar.
Mehr als fair, wie alle Getränkepreise an Bord. Bei einer Kapazität von 8 Tischen Abend für Abend allerdings kann man sich ausrechnen, dass, gerade bei einer kürzeren Reise, nicht jeder Passagier in den Genuss von Fehlings Kochkunst kommen kann. Eine frühzeitige Reservierung ist daher unbedingt empfehlenswert.
No Smoking – die Kleiderordnung wurde gelockert
Wie überall auf MS Europa ist auch im Gourmet-Restaurant die Kleiderordnung gegenüber früher deutlich gelockert worden. Lange Hosen, Hemd und Jackett reichen an den meisten Abenden als Garderobe aus. Lediglich beim Welcome und Farewell Abend wird ein dunkler Anzug mit Krawatte erwartet. Früher allerdings waren bei diesen Veranstaltungen Smoking oder Dinnerjacket obligatorisch.
Vereinzelt sieht man diese Art der Abendgarderobe aber auch auf meiner Reise noch. Einige langjährige Europa-Kreuzfahrer halten die Black Tie Tradition wacker aufrecht und so ein wenig ertappe ich mich beim neidischen Blick und dem Gedanken, selbst gerne meinen Smoking eingepackt zu haben. Aber gut, ich bin diesbezüglich eben auch ein unverbesserlicher Kreuzfahrt-Traditionalist, der es ein wenig schade findet, dass diese alten Sitten nach und nach verschwinden.
Elegant und doch leger – die Europa nach ihrer Verjüngungskur
Für wen übrigens selbst ein Jackett an Bord „Zuviel des Guten“ ist, der ist des Abends jederzeit im Lido Restaurant herzlich willkommen, sollte sich aber dennoch fragen, ob nicht ein anderes Schiff vielleicht mehr seinen Kleidungsgewohnheiten entspricht.
Seit ihrer Indienststellung im Jahr 1999 wälze ich die wunderschönen, dicken Hochglanzkataloge der Europa. Zwanzig Jahre lang habe ich mich gefragt, wie es auf einer Kreuzfahrt auf dieser Schiffslegende wohl zugeht. Die Europa hat mich auf meiner Kurzreise wirklich angenehm überrascht. Irgendwann schaffe ich es hoffentlich auch einmal, ein wenig länger an Bord zu bleiben. Einmal in die Südsee zum Beispiel. Oder – warum nicht gleich auf Weltreise? Der Mensch muss schließlich Ziele haben.
Fazit
Mein Fazit: auch nach 20 Jahren ist die Europa ein äußerst schönes und exklusives Schiff. Hier und da kann sie ihr Alter zwar nicht ganz verbergen, dennoch erstrahlt sie in einer wunderbaren und weitestgehend stimmigen Mischung aus traditionell-elegantem und modernem Design. Das Essen gehört, nicht nur, aber allem voran auch in Kevin Fehlings The Globe, zum definitiv Besten, was man auf den sieben Weltmeeren finden kann. MS Europa ist das ideale Schiff für Paare und Alleinreisende, die ein etwas eleganteres und ruhigeres Ambiente bevorzugen und dabei die Wahl zwischen etwas festlicherer und legererer Garderobe haben möchten.
Mein Tipp: wer es noch ein wenig ungezwungener und moderner bevorzugt, der sollte auch einmal ein Auge auf das Schwesterschiff, die Europa 2 werfen. Gleiches gilt für Familien, nicht zuletzt wegen der schönen Familiensuiten (mehr dazu hier) auf jenem Schiff.
Weitere Informationen
MS Europa bietet überwiegend zwei- bis dreiwöchige Kreuzfahrten an. Die Passagepreise liegen dabei bei etwa 500 Euro pro Tag und Person in einer 27 qm Suite der Kategorie 1. Perfekt geeignet, um das Schiff einmal kennenzulernen, ist die 4-Tages-Kurzreise von Hamburg nach Kiel im Mai 2020 (mehr dazu hier). Wer auf Weltreise gehen möchte, der hat ab 14. September 2020 die Gelegenheit dazu. Die 274-tägige Kreuzfahrt beginnt und endet in Hamburg. Im Reisepreis, der bei 125.630 Euro p.P. beginnt, sind einige exklusive Privilegien wie etwa der Wäscherei-Service oder ein Ausflugsguthaben von 10.000 Euro p.P. inkludiert. Mehr Details zur Weltreise gibt es hier. Kevin Fehling wird 2020 voraussichtlich auf folgenden Reisen an einzelnen Tagen mit an Bord sein: EUR2006, EUR2007, EUR2010, EUR2013 und EUR2016.
Hinweis zur Transparenz
Der Bericht entstand auf Einladung von Hapag-Lloyd Cruises im Rahmen einer Gruppen-Pressereise. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand nicht statt.
Fotos: © PCS
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